Abkommen über gemeinsame Organe für die Europäischen Gemeinschaften

vom 25. März 1957
in Kraft getreten am 1. Januar 1958

geändert durch den Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965

aufgehoben durch Artikel 9 Absatz 1 des Vertrags von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (mit Wirkung vom 1. Mai 1999)


SEINE MAJESTÄT DER KÖNIG DER BELGIER, DER PRÄSIDENT DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, DER PRÄSIDENT DER FRANZÖSISCHEN REPUBLIK, DER PRÄSIDENT DER ITALIENISCHEN REPUBLIK, IHRE KÖNIGLICHE HOHEIT DIE GROSSHERZOGIN VON LUXEMBURG, IHRE MAJESTÄT DIE KÖNIGIN DER NIEDERLANDE,

IN DEM BESTREBEN, die Zahl der Organe zu beschränken, die im Rahmen der von ihnen geschaffenen Europäischen Gemeinschaften ähnliche Aufgaben zu erfüllen haben,

HABEN BESCHLOSSEN, für diese Gemeinschaften bestimmte gemeinsame Organe zu bilden; sie haben zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt:

SEINE MAJESTÄT DER KÖNIG DER BELGIER:
Herrn Paul Henri SPAAK, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;
Baron J. Ch. SNOY ET D'OPPUERS, Generalsekretär des Wirtschaftsministeriums, Leiter der belgischen Delegation bei der Regierungskonferenz;

DER PRÄSIDENT DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND:
Herrn Dr. Konrad ADENAUER, Bundeskanzler;
Herrn Professor Dr. Walter HALLSTEIN, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes;

DER PRÄSIDENT DER FRANZÖSISCHEN REPUBLIK:
Herrn Christian PINEAU, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;
Herrn Maurice FAURE, Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten;

DER PRÄSIDENT DER ITALIENISCHEN REPUBLIK:
Herrn Antonio SEGNI, Ministerpräsident;
Herrn Professor Gaetano MARTINO, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;

IHRE KÖNIGLICHE HOHEIT DIE GROSSHERZOGIN VON LUXEMBURG:
Herrn Joseph BECH, Staatsminister, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;
Herrn Lambert SCHAUS, Botschafter, Leiter der luxemburgischen Delegation bei der Regierungskonferenz;

IHRE MAJESTÄT DIE KÖNIGIN DER NIEDERLANDE:
Herrn Joseph LUNS, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;
Herrn J. LINTHORST HOMAN, Leiter der niederländischen Delegation bei der Regierungskonferenz.

DIESE SIND nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten wie folgt ÜBEREINGEKOMMEN:

ABSCHNITT I
DIE VERSAMMLUNG

Artikel 1

Die Befugnisse und Zuständigkeiten, die der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft der Versammlung übertragen, werden unter den in diesen Verträgen vorgesehenen Bedingungen durch eine einzige Versammlung ausgeübt; für die Zusammensetzung dieser Versammlung und die Bestellung ihrer Mitglieder sind Artikel 138 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Artikel 108 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft maßgebend.

Artikel 2

(1) Mit Aufnahme ihrer Tätigkeit tritt die in Artikel 1 genannte einzige Versammlung an die Stelle der in Artikel 21 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorgesehenen Gemeinsamen Versammlung. Sie übt die Befugnisse und Zuständigkeiten, die der Gemeinsamen Versammlung durch den genannten Vertrag übertragen worden sind, gemäß dessen Bestimmungen aus.

(2) Artikel 21 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird daher mit der Aufnahme der Tätigkeit der in Artikel 1 genannten einzigen Versammlung aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt:

"Artikel 21

(1) Die Versammlung besteht aus Abgeordneten, die nach einem von jedem Mitgliedstaat bestimmten Verfahren von den Parlamenten aus ihrer Mitte zu ernennen sind.

(2) Die Zahl dieser Abgeordneten wird wie folgt festgesetzt:
Deutschland 36
Belgien 14
Frankreich 36
Italien 36
Luxemburg 6
Niederlande 14.

(3) Die Versammlung arbeitet Entwürfe für allgemeine unmittelbare Wahlen nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten aus.
Der Rat erläßt einstimmig die entsprechenden Bestimmungen und empfiehlt sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften."

ABSCHNITT II
DER GERICHTSHOF

Artikel 3

Die Zuständigkeiten, die der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft dem Gerichtshof übertragen, werden unter den in diesen Verträgen vorgesehenen Bedingungen durch einen einzigen Gerichtshof ausgeübt; für die Zusammensetzung dieses Gerichtshofes und die Bestellung seiner Mitglieder sind die Artikel 165 bis 167 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die Artikel 137 bis 139 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft maßgebend.

Artikel 4

(1) Mit Aufnahme seiner Tätigkeit tritt der in Artikel 3 genannte einzige Gerichtshof an die Stelle des in Artikel 32 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorgesehenen Gerichtshofes. Er übt die Zuständigkeiten, die diesem Gerichtshof durch den genannten Vertrag übertragen worden sind, gemäß dessen Bestimmungen aus.

Der Präsident des in Artikel 3 genannten einzigen Gerichtshofes übt die Befugnisse aus, die durch den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl dem Präsidenten des darin vorgesehenen Gerichtshofes übertragen worden sind.

(2) Mit Aufnahme der Tätigkeit des in Artikel 3 genannten einzigen Gerichtshofes

a) wird daher Artikel 32 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt:

"Artikel 32

Der Gerichtshof besteht aus sieben Richtern.

Der Gerichtshof tagt in Vollsitzungen. Er kann jedoch aus seiner Mitte Kammern mit je drei oder fünf Richtern bilden, die bestimmte vorbereitende Aufgaben erledigen oder bestimmte Gruppen von Rechtssachen entscheiden; hierfür gelten die Vorschriften einer besonderen Regelung.

In allen Fällen, in denen Rechtssachen zur Entscheidung stehen, die auf Antrag eines Mitgliedstaats oder eines Organs der Gemeinschaft anhängig sind, tagt der Gerichtshof in Vollsitzungen; das gleiche gilt für die im Wege der Vorabentscheidung zu entscheidenden Fragen, die ihm gemäß Artikel 41 vorgelegt werden.
Auf Antrag des Gerichtshofes kann der Rat einstimmig die Zahl der Richter erhöhen und die erforderlichen Anpassungen der Absätze 2 und 3 und des Artikels 32 b Absatz 2 vornehmen.

Artikel 32 a

Der Gerichtshof wird von zwei Generalanwälten unterstützt.

Der Generalanwalt hat in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlußanträge zu den dem Gerichtshof unterbreiteten Rechtssachen öffentlich zu stellen, um den Gerichtshof bei der Erfüllung seiner in Artikel 31 bestimmten Aufgabe zu unterstützen.

Auf Antrag des Gerichtshofes kann der Rat einstimmig die Zahl der Generalanwälte erhöhen und die erforderlichen Anpassungen des Artikels 32 b Absatz 3 vornehmen.

Artikel 32 b

Zu Richtern und Generalanwälten sind Persönlichkeiten auszuwählen, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und in ihrem Staat die für die höchsten richterlichen Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen oder Juristen von anerkannt hervorragender Befähigung sind; sie werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen auf sechs Jahre ernannt.

Alle drei Jahre findet eine teilweise Neubesetzung der Richterstellen statt. Sie betrifft abwechselnd je drei und vier Richter. Die drei Richter, deren Stellen nach Ablauf der ersten drei Jahre neu zu besetzen sind, werden durch das Los bestimmt.

Alle drei Jahre findet eine teilweise Neubesetzung der Stellen der Generalanwälte statt. Der Generalanwalt, dessen Stelle nach Ablauf der ersten drei Jahre neu zu besetzen ist, wird durch das Los bestimmt.

Die Wiederernennung ausscheidender Richter und Generalanwälte ist zulässig.

Die Richter wählen aus ihrer Mitte den Präsidenten des Gerichtshofes für die Dauer von drei Jahren. Wiederwahl ist zulässig.

Artikel 32 c

Der Gerichtshof ernennt seinen Kanzler und bestimmt dessen Stellung."

b) werden daher die Bestimmungen des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes im Anhang zum Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl aufgehoben, soweit sie den Artikeln 32 bis 32 c des genannten Vertrags entgegenstehen.

ABSCHNITT III
DER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

Artikel 5

(1) Die Aufgaben, die der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft dem Wirtschafts- und Sozialausschuß übertragen, werden unter den in diesen Verträgen vorgesehenen Bedingungen durch einen einzigen Wirtschafts- und Sozialausschuß ausgeübt; für die Zusammensetzung dieses Ausschusses und die Bestellung seiner Mitglieder sind Artikel 194 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Artikel 166 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft maßgebend.

(2) Der in Absatz 1 genannte einzige Wirtschafts- und Sozialausschuß muß eine fachliche Gruppe und kann zuständige Unterausschüsse für die Gebiete oder Fragen umfassen, die dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft unterliegen.

(3) Die Artikel 193 und 197 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft finden auf den in Absatz 1 genannten einzigen Wirtschafts- und Sozialausschuß Anwendung.

ABSCHNITT IV
DIE FINANZIERUNG DIESER ORGANE

Artikel 6

Die Verwaltungsausgaben der einzigen Versammlung, des einzigen Gerichtshofes und des einzigen Wirtschafts- und Sozialausschusses werden zu gleichen Teilen von den beteiligten Gemeinschaften getragen.

Die Durchführungsvorschriften zu diesem Artikel werden von den zuständigen Stellen jeder Gemeinschaft im gegenseitigen Einvernehmen festgelegt.

Durch den Artikel 23 des Vertrags vom 8. April 1965 wurde der Artikel 6 aufgehoben.

Schlußbestimmungen

Artikel 7

Dieses Abkommen bedarf der Ratifizierung durch die Hohen Vertragsparteien gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt.

Dieses Abkommen tritt gleichzeitig mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft in Kraft.

Artikel 8

Dieses Abkommen ist in einer Urschrift in deutscher, französischer, italienischer und niederländischer Sprache abgefaßt, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; es wird im Archiv der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt; diese übermittelt der Regierung jedes anderen Unterzeichnerstaats eine beglaubigte Abschrift.

ZU URKUND DESSEN haben die unterzeichneten Bevollmächtigten ihre Unterschriften unter dieses Abkommen gesetzt.

Geschehen zu Rom am fünfundzwanzigsten März neunzehnhundertsiebenundfünfzig.

P. H. Spaak
J. Ch. Snoy et d'Oppuers
Adenauer
Hallstein
Pineau
M. Faure
Antonio Segni
Gaetano Martino
Bech
Lambert Schaus
J. Luns
J. Linthorst Homan


Quelle: Bundesgesetzblatt Teil II 1957 S. 1156ff.
Internationale Verträge, Europarecht (Sartorius II), C.H. Beck Verlag
Friedrich Berber, Völkerrecht Dokumentensammlung Band I., C.H.Beck Verlag
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