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Zusatzprotokolle zu dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaften

Militär-Protokoll

Die Hohen Vertragschließenden Teile,

in dem Wunsche, die Anwendung von Artikel 8 und 15 sowie des dritten Teiles des Vertrages zu sichern,

sind wie folgt übereingekommen:

Titel I. - Die Grundeinheiten

Artikel 1 – Landstreitkräfte. § 1 Die national geschlossenen Grundeinheit ist der "Kampfverband", in dem die verschiedenen Waffen der Landstreitkräfte organisch zusammenwirken.

§ 2 Drei Hauptarten von Kampfverbänden werden nachstehend festgelegt:
- der Infanterie-Kampfverband
- der Panzer-Kampfverband
- der Panzerbegleit-Kampfverband

Die allgemeine Gliederung und die Stärken dieser Kampfverbände sind in den nachfolgenden Tabellen 1 (A), 1 (B) und 1 (C) enthalten.

§ 3 Die bereits bestehenden Gebirgs-Kampfverbände und Gebirgsbrigaden behalten ihre gegenwärtige Form bei. Andere Arten von national geschlossenen Kampfverbänden, deren Schaffung sich aus operativen Notwendigkeiten ergeben könnte, werden durch Entscheidung des Kommissariates bestimmt.

Überschreiten die Stärken dieser Kampfverbände die Stärke der oben aufgeführten Kampfverbände, so sind sie dem Rat zur einstimmigen Genehmigung vorzulegen.

Tabelle 1 (A)
Allgemeine Gliederung und Stärken des Infanterie-Kampfverbandes

Führungsorgane
Ein Kampfverbandsstab und eine Stabskompanie Kampftruppen
eine Aufklärungskompanie
drei Infanterie-Regimenter mit je drei Bataillonen
ein Panzerbataillon
ein motorisierter Artillerie-Verband mit fünf Abteilungen,
drei Abteilungen leitchte Haubitzen
eine Abteilung mittlere Haubitzen
eine Abteilung Flakartillerie
ein motorisiertes Pionierbataillon
eine Fernmeldekompanie
Versorgungstruppen
eine Materialkompanie
eine Intendanturkompanie
ein Sanitätsbataillon
Militärpolizei
Feldersatzkompanie (Rahmeneinheit)
Stärken des Infanterie-Kampfverbandes
Maximal-Friedensstärke 13000 Mann
Kriegsstärke 15000 Mann

Tabelle 1 (B)
Allgemeine Gliederung und Stärken des Panzer-Kampfverbandes

Führungsorgane
ein Kampfverbandsstab und eine Stabskompanie
drei Kampftruppenstäbe
Kampftruppen
ein Aufklärungsbataillon
vier Panzerbataillone
vier Infanteriebataillone, die ein Ganzes bilden (wenn möglich auf geländegängigen Schützenpanzerwagen, sonst mindestens zwei Bataillone auf SPW und zwei ataillone auf geländegängigen LKWs)
ein Artillerie-Verband (auf Slbstfahrlafetten) mit fünf Abteilungen
drei Abteilungen leichte Haubitzen
eine Abteilung mittlere Haubitzen
eine Abteilung Flakartillerie
ein Pionierbataillon auf Schützenpanzerwagen
eine (verstärkte) Fernmeldekompanie
Versorgungstruppen
ein Materialbataillon
ein Intendanturbataillon
ein Sanitätsbataillon
Verstärkte Militärpolizei
Feldersatzkompanie (Rahmeneinheit)
Stärken des Panzer-Kampfverbandes
Maximal-Friedensstärke 12700 Mann
Kriegsstärke 14600 Mann

Tabelle 1 (C)
Allgemeine Gliederung und Stärken des mechanisierten Kampfverbandes

Führungsorgane
ein Kampfverbandsstab und eine Stabskompanie
drei Kampfgruppenstäbe
Kampftruppen
ein Aufklärungsbataillon
drei Panterbataillone
sechs Infanteriebataillone, die ein Ganzes bilden (geländegängig)
ein motorisierter Artillerie-Verband mit fünf Abteilungen (gleicher Typ wie die Artillerie des Infanterie-Kampfverbandes)
ein motorisiertes Pionierbataillon
eine (verstärkte) Fernmeldekompanie
Versorgungstruppen
ein Materialbataillon
ein Intendanturbataillon
ein Sanitätsbataillon
(verstärkte) Militärpolizei
Feldersatzkompanie (Rahmeneinheit)
Stärken des mechanisierten Kampfverbandes
Maximal-Friedensstärke 12700 Mann
Kriegsstärke 14700 Mann

Artikel 2 – Luftstreitkräfte. § 1 Die europäischen Luftstreitkräfte sind nach Grundeinheiten einheitlicher Typs gegliedert. Nur die Stärkezahlen und die Ausstattung ändern sich nach der Art des Verbandes.

Die Grundeinheit soll so beweglich wie möglich sein.

§ 2 Jede Grundeinheit wird von einem Kommandeur geführt, dem ein Stab zur Verfügung steht. Sie ist gegliedert in:
- einen fliegenden Verband, der sich im allgemeinen aus drei gleichartigen Staffeln zusammensetzt und der den kämpfenden Teil der Grundeinheit bildet,
- eine technische Gruppe, die sich aus einer technischen Einheit und einer Versorgungseinheit zusammensetzt und der die Wartung, Instandsetzung (2. Stufe) und Versorgung des fliegenden Verbandes obliegt,
- eine Fliegerhorstgruppe, die die Aufgabe hat, die ständige Betreuung der Grundeinheit auf einem Flugplatz sicherzustellen.

§ 3 Die Stärken und Ausstattungen sind in der beigefügten Tabelle Taktische Luftstreitkräfte enthalten.

Tabelle Taktische Luftstreitkräfte

Stärken und Flugzeug-Ausstattungen der Grundeinheiten

Die Durchschnittsstärke der Grundeinheit ist folgende:
Maximal-Friedensstärke 1300 Mann
Kriegsstärke 2000 Mann

Die Flugzeugausstattungen der Grundeinheiten sind folgende:
taktische Jagdbomber 75 Flugzeuge (25 je Staffel)
Verteidigungsjäger 36 Flugzeuge (12 je Staffel)
Allwetterjäger 54 Flugzeuge (18 je Staffel)
Leichte Bomber
Transportflugzeuge 48 Flugzeuge (16 je Staffel)

Artikel 3 – Seestreitkräfte. Die Seestreitkräfte werden in Gruppen gleicher nationaler Herkunft, die jeweils für ein Operationsgebiet und die gleiche taktische Aufgabe bestimmt sind, zusammengefaßt und in nachgeordnete Verbände (Gruppen, Flottillen, Halbflottillen) gegliedert.

Artikel 4. Die Grundzüge der Organisation und der verschiedenen Arten von Grundeinheiten der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte können nur nach Maßgabe des Artikels 44 des Vertrages geändert werden.

Die Bestimmungen dieses Titels greifen in keiner Weise den Einzelheiten der zukünftigen Organisationen vor. Notwendige Änderungen können bei Erlaß der Durchführungsvorschriften durch Entscheidung des Kommissariates vorgenommen werden.

Titel II. - Allgemeine Organisation und Aufstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte

Artikel 5. Die Organisation der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte umfaßt:
- Zentralorgane
- militärische Territorialkommandos,
- Truppenführungsstäbe.

Artikel 6. Die Zentralorgane des Kommissariates werden mit Inkrafttreten des Vertrages aufgestellt. Sie führen die Aufstellungsmaßnahmen fortschreitend in einer Weise durch, die weder für die der Gemeinschaft zugeteilten Streitkräfte noch für die weiterhin in nationaler Verantwortlichkeit bleibenden eine Schwächung der Kampfkraft mit sich bringt.

Zu diesem Zweck stellt der Zentrale Generalstab mit Inkrafttreten des Vertrages in jedem Mitgliedstaat einen Bevollmächtigten ab, der gemäß den Weisungen und unter Kontrolle des Kommissariates die Aufstellung des von diesem Staat gestellten Kontingentes zu leiten hat. Dieser Bevollmächtigte besitzt die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaates und verfügt über eine vom Zentralen Generalstab abgestellte Abteilung, die entsprechend den Erfordernissen der Führung, Ausbildung und Verbindung gemischt (integriert) ist.

Artikel 7. § 1 Der Bevollmächtigte gemäß Artikel 6, Absatz 2, baut eine europäische militärische Territorialorganisation auf; besteht noch kein militärisches Territorialsystem, so wird es neu geschaffen, bereits bestehende werden angeglichen.

Diese Organisation ist auf europäischen territorialen Militärbereichen aufgebaut, deren Grenzen vom Kommissariat nach einstimmiger Zustimmung des Rates festgesetzt oder geändert werden.

Der Bevollmächtigte des Zentralen Generalstabes bedient sich für die Aufstellung der Kontingente, für die er verantwortlich ist, der Führungsstäbe dieser Bereiche, wie auch der Mittel der vom Zentralen Generalstab abgestellten Abteilung.

§ 2 Die so aufgestellte europäische militärische Territorialorganisation sorgt für den Bedarf der europäischen und nationalen Streitkräfte, während sie zugleich an der Aufstellung der Streitkräfte mitwirkt. Gegebenenfalls greift sie auch zugunsten der Streitkräfte der Atlantikpakt-Organisation ein. Schließlich arbeitet sie mit den Dienststellen zusammen, deren Zuständigkeitsbereich national verbleibt.

Diese Organisation ist entsprechend der Art der Truppen, die sie zu unterhalten hat, gemischt (integriert).

Dem Statut nach europäisch, hat sie ein zweifaches Unterstellungsverhältnis, einmal unter das Kommissariat, zum anderern unter die zuständigen Stellen der Regierung. Diesen letzteren ist der Bevollmächtigte des Europäischen Zentralen Generalstabes für die Durchführung der Weisungen verantwortlich, die sie im Bereich ihrer Zuständigkeit erteilen.

Die Polizeistreitkräfte können sich der Dienststellen der europäischen militärischen Territorialorganisationen bedienen.

Artikel 8. Mit Inkrafttreten des Vertrages haben die Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Vertragspflichtungen erforderlichen Dienststellen und Einrichtungen zu schaffen, soweit sie nicht bereits über solche verfügen.

Der für die in jedem Lande national verbleibenden Aufgaben verantwortliche oder mit den europäischen Verteidigungsangelegenheiten beauftragte Minister bedient sich zur Durchführung seiner Aufgaben über den Bevollmächtigten des europäischen Zentralen Generalstabes und der europäischen Territorialkommandos.

Artikel 9. § 1 Die europäischen Truppenführungsstäbe, d.h. die gemischten (integrierten) Führungsstäbe, werden aufgestellt:
- entweder mit Inkrafttreten des Vertrages, zur Führung der bereits bestehenden Verbände und zur Vorbereitung der Vermischung (Integrierung) anderer Verbände;
- oder kurzfristig in der Form, daß sie bereits während ihrer eigenen Aufstellung eine Kontrolltätigkeit über die in Aufstellung befindlichen Verbände ausüben können, die ihnen später unterstellt werden.

§ 2 Die Unterstellung der Verbände unter diese Truppenführungsstäbe erfolgt, nachdem diese Führungsstäbe aufgestellt und zur Ausübung ihrer Befugnisse in der Lage sind, und wenn die einzelnen Einheiten einen Ausbildungsstand erreicht haben, der ihre Zusammenfassung zu großen Verbänden erlaubt.

Das Kommissariat entscheidet in jedem Falle über die Unterstellung.

Artikel 10. Das Ende der Aufstellungszeit der Streitkräfte und damit der Aufgabe des Bevollmächtigten und der vom Zentralen Generalstab abgestellten Abteilung wird durch Entscheidung des Kommissariates bestimmt. Dieser Zeitpunkt darf die Frist von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages nur mit einstimmiger Zustimmung des Rates überschreiten.

Mit Ausnahme der Abgrenzung der Bereiche wird die endgültige Organisation des Territorialkommandos der Gemeinschaft vor Ablauf des vorstehenden Zeitraumes durch Entscheidung des Kommissariates mit Zustimmung einer Zweidrittel-Mehrheit des Rates festgelegt.

Titel III. – Personalwesen

Artikel 11. Das Kommissariat wird im Rahmen der nachstehenden allgemeinen Grundsätze die Vorschriften für die Personalstatuten und die Bestimmungen ausarbeiten, die sich auf die personelle Ergänzung und den Umfang der Stämme der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte beziehen.

Bis zu ihrem Inkrafttreten gelten für das Personalwesen die Gesetze und Vorschriften der Mitgliedstaaten.

Kapitel I. - Personelle Ergänzung

Artikel 12 – Allgemeines. § 1 Jeder männliche Staatsbürger der Mitgliedstaaten muß den Wehrdienst persönlich ableisten, außer bei körperlicher oder geistiger Untauglichkeit oder Wehrunwürdigkeit. Weitere Ausnahmen ergeben sich aus Sonderbestimmungen in der Verfassung oder in den Gesetzen der Mitgliedstaaten.

§ 2 Der Rat trifft einstimmig die Entscheidungen über die Dauer der aktiven Dienstzeit.

In allen Mitgliedstaaten wird die Dauer der aktiven Dienstzeit auf mindestens 18 Monate festgesetzt. Diese Mindestdauer kann durch einstimmige Entscheidung des Rates geändert werden.

Der Wehrdienst der Reserve wird unter den gleichen Bedingungen wie der aktive Dienst geregelt.

§ 3 Die Maßnahmen zur Aufstellung und laufenden Ergänzung des Personalbestandes der Streitkräfte umfassen:
- Erfassung und Musterung der Wehrpflichtigen;
- Einberufung und Einstellung der Wehrpflichtigten;
- Verpflichtung und Wiederverpflichtung des längerdienenden Personals;
- Personalverwaltung der Reservisten.

Die drei letztgenannten Maßnahmen werden teils von den Mitgliedstaaten, teils von der Kommission durchgeführt.

§ 4 Die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte ergänzen sich:
- durch vollständige oder teilweise Einberufung der Jahrgänge;
- durch freiwillige Verpflichtung (auf bestimmte Zeit oder zur vorzeitigen Ableistung der Dienstpflicht) und durch Wiederverpflichtung.

§ 5 Sollte die Zahl der für den Werhdienst Verfügbaren den Bedarf der Streitkräfte übersteigen, so wird die erforderliche Verringerung durch Zurückstellungen erreicht, die die besonderen sozialen, wirtschaftlichen und beruflichen Gesichtspunkte eines jeden Mitgliedstaates berücksichtigt. Die Schlagkraft der Kontingente darf dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Die Zurückgestellten bleiben den sonstigen Wehrpflichtbestimmungen für ihren Jahrgang unterworfen.

Artikel 13 – Wehrersatzwesen. § 1 Die Erfassungslisten werden von den zuständigen Verwaltungsbehörden nach vorstehenden Grundsätzen angelegt.

§ 2 Die in den Erfassungslisten aufgeführten Wehrpflichtigen haben sich einer Musterungskommission zu stellen, die ihre Wehrtauglichkeit feststellt.

§ 3 Die Einberufung der Quote der Wehrpflichtigten findet je nach Bedarf im wechselnden Umfange statt. Sie erfolgt nach dem Geburtsdatum des Wehrpflichtigten in dem Jahr, in dem er das für die Einstellung festgesetzte Alter erreicht hat.

Zurückstellungen können bis zu einem bestimmten Alter aus sozialen, wirtschaftlichen und beruflichen Gründen, je nach den Verhältnissen der einzelnen Mitgliedstaaten, sowie bei Wohnsitz im Ausland vorgenommen werden. Die Schlagkraft der Kontingente darf hierdurch nicht beeinträchtigt werden.

Artikel 14 - Ergänzung der Offiziere und Unteroffiziere. § 1 Die Einzelheiten für die Ergänzung der Offiziere und Unteroffiziere werden durch das Kommissariat geregelt.

Die allgemeinen Bestimmungen für die Einstellung in diese einzelnen Laufbahnen werden nachstehend aufgeführt.

§ 2 Die Offiziere im aktiven Dienst werden ergänzt:
- aus Anwärtern, die die vorgeschriebene Eignung besitzen und ihre aktive Dienstzeit erfüllt haben,
- aus Unteroffizieren,
- aus Reserveoffizieren, die als Berufssoldaten übernommen werden.

§ 3 Die Offiziere der Reserve werden ergänzt:
- aus Anwärtern, die den Nachweis ihrer Eignung nach Beendigung entsprechender Ausbildungslehrgänge erbracht haben;
- entweder während der aktiven Dienstzeit, -oder während der Wehrübungen, - aus ausgeschiedenen oder in den Ruhestand versetzten Berufsoffizieren.

§ 4 Die Unteroffiziere im aktiven Dienst werden ergänzt aus Anwärtern, die ihre Eignung nachgewiesen haben:
- entweder während der Zeit ihrer ersten Verpflichtung oder Wiederverpflichtung als längerdienende Freiwillige
- oder während der Ableistung ihres aktiven Wehrdienstes als Wehrpflichtige.

Sie können Berufsunteroffiziere werden.

§ 5 Die Unteroffiziere der Reserve werden ergänzt aus Anwärtern, die ihre Eignung nachgeweisen haben:
- entweder während oder nach Ableistung ihres aktiven Wehrdienstes als Wehrpflichtige,
- oder während der Zeit ihrer ersten Verpflichtung oder Wiederverpflichtung sowie nach Beendigung dieser Zeit als längerdienende Freiwillige,
- oder während der Wehrübungen bei Soldaten, die aus dem aktiven Dienst entlassen sind.

Kapitel II. - Inneres Gefüge

Artikel 15. Gemäß Artikel 79 des Vertrages wird für die gesamten Europäischen Verteidigungsstreitkräfte eine einheitliche Disziplinarordnung geschaffen. Bis zur Genehmigung der einheitlichen Regelung gelten die nationalen Vorschriften. Die Ausarbeitung dieser Disziplinarordnung soll in kürzester Frist aufgenommen werden; sie soll für alle Kontingente gleichzeitig zur Anwendung kommen.

Artikel 16. § 1 Die Haltung der Angehörigen der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte soll ihrer hohen Aufgabe entsprechen. Sie sollen die Gesetze und die für die Bürger geltenden Vorschriften sowie die örtlichen Sitten und Gebräuche achten.

Sie sollen alles vermeiden, was die religiösen Gefühle anderer verletzen könnte.

Es werden alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um freie Religionsausübung zu gewährleisten.

§ 2 Die Angehörigen der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte haben gegenüber der Gemeinschaft und ihren Führungsorganen die gleichen Pflichten, wie sie die Soldaten der Nationalarmeen üblicherweise ihrer eigenen Regierung und ihren eigenen Vorgesetzten gegenüber haben. Die wichtigten dieser Pflichten sind folgende:
- Loyalität gegenüber der Gemeinschaft,
- Befolgung der Gesetze und Vorschriften der Gemeinschaft,
- Gehorsam gegenüber den europäischen militärischen Vorgesetzten, ohne Rücksicht auf deren Nationalität.

Artikel 17. § 1 Der Eintritt in den Dienst der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte wird durch eine feierliche Verpflichtung auf die Europäische Gemeinschaft vollzogen, bei der die nationalen Gebräuche der einzelnen Kontingente berücksichtigt §

§ 2 Die Angehörigen der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte haben den Fahnen, Standarten und Wimpeln der europäischen und nationalen Verteidigungsstreitkräfte sowie dem europäischen Emblem die Ehrenbezeigungen zu erweisen.

Artikel 18. Der Untergebene
- soll einem Vorgesetzten im Rahmen der dienstlichen Erfordernisse und der gesetzlichen Bestimmungen, der Kriegsbräuche und der militärischen Vorschriften gehorchen,
- kann nach den Vorschriften der Disziplinarordnung – vorbehaltich der Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuches - gegen jede als unrechtmäßig anzusehende Maßnahme oder eine Bestrafung, die er für ungerechtfertigt hält, Beschwerde einlegen.

Artikel 19. Der Vorgesetzte soll seinen Untergebenen sowohl in der Wahrung der Disziplin als auch in der Befolgung der Vorschriften stets ein Vorbild sein.

Er soll dem Untergebenen so viel wie möglich von seiner Erfahrung und Bildung vermitteln, seine materiellen und geistigen Interessen wahrnehmen und jede Maßnahme vermeiden, die die Würde seiner Persönlichkeit verletzen kann.

Er soll jedem die größtmögliche Selbständigkeit im Handeln belassen und nicht in die Führungsbefugnisse nachgeordneter Stellen eingreifen.

Artikel 20. Die Art der Anerkennungen und Strafen, die Beurteilung der Vergehen sowie die Festlegung der Rechte des einzelnen auf diesem Gebiete werden einheitlich geregelt.

Kapitel III. - Dienstgrad und Dienststellung

Artikel 21 – Allgemeines. § 1 Die grundlegenden Bestimmungen über Stellenbesetzung und Beförderung umfassen vor allem
- die für die Stämme festgelegten Planstellen,
- die Beförderungsvorschriften,
- die Satzungen, die die Rechte der Berufssoldaten verbürgen,
- die Grundsätze für die Personalverwaltung und -bewirtschaftung.

Die Einzelbestimmungen und ihre Anwendung werden durch das Kommissariat erlassen.

§ 2 Die Anzahl der Dienstgrade wird wie folgt festgelegt:
- vier für Mannschaften
- fünf für Unteroffiziere
- drei für Offiziere unterer Grade
- drei für Stabsoffiziere
- vier für Generale.

Artikel 22 - Bestimmungen zur Sicherung von Dienstgrad und Dienststellung der Berufssoldaten. § 1 Die Angehörigen der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte können nur aus triftigen Gründen Dienstgrad oder Dienststellung verlieren oder aus dem Wehrdienst entlassen werden.

§ 2 Entsprechende Bestimmungen sind in die Disziplinarordnung und das Militärstrafgesetzbuch aufzunehmen.

Diesen Bestimmungen sind folgende allgemeine Gesichstpunkte zugrundezulegen.
a) Der Dienstgrad kann nur durch Gerichtsurteil oder als Dienststrafmaßnahme unter bestimmten Voraussetzungen aberkannt
b) Die einstweilige Dienstenthebung als Dienststrafmaßnahme oder aus anderen schwerwiegenden Gründen kann nur in genau bestimmten Fällen erfolgen.
c) Die Entlassung aus dem Wehrdienst ist nur in folgenden Fällen möglich:
- auf Antrag im Rahmen der geltenden Bestimmungen,
- Erreichen der für den betreffenden Dienstgrad festgelegten Altersgrenze oder Ablauf der Dienstzeit,
- körperliche Untauglichkeit, mangelnde dienstliche Eignung, schwere Verfehlung oder fortgesetzt schlechte Führung,
- strafrechtliche Verurteilung.
d) Jede Beeinträchtigung von Dienstgrad oder Dienststellung der Offiziere und Unteroffiziere als Folge einer Dienststrafmaßnahme bedarf der Zustimmung eines Untersuchungsausschusses.

Artikel 23 – Offiziere. § 1 Die Beförderung wird durch die vom Kommissariat im Rahmen von Artikel 31 des Vertrages festgelegten Grundsätze geregelt.

Alle Offiziere bis zum Divisionsgeneral einschließlich stehen für die Beförderung innerhalb ihres nationalen Kontingentes untereinander im Wettbewerb. § 2 Die Stellenbesetzung der Kommandeure einer Grundeinheit, der Generale mit Befehlsgewalt über Verbände verschiedener Nationalität und der vom Rat bestimmten gehobenen Dienststellungen des Kommissariates, wird durch das Kommissariat mit einstimmiger Zustimmung des Rates vorgenommen.

§ 3 Über alle übrigen Stellenbesetzungen beschließt das Kommissariat unter Berücksichtigung der Vorschläge der beteiligten Vorgesetzten.

Die Besetzung von Stellen unterhalb des Dienstgrades eines Obersten und entsprechender Dienstgrade kann den Truppenkommandeuren übertragen werden.

§ 4 Die Zahl der Planstellen für jeden Dienstgrad geht aus den Stärkenachweisen hervor.

§ 5 Die gesamte Verteilung der Planstellen gemischter Einheiten entspricht dem nach der Gesamtstärke der Kontingente der Mitgliedstaaten festgelegten Verteilerschlüssel.

Artikel 24 - Unteroffiziere und Mannschaften. Die Beförderung der Unteroffiziere und Mannschaften erfolgt innerhalb jedes Kontingentes nach den allgemeinen Richtlinien des Kommissariates.

Ebenso wird das Kommissariat in seinen Richtlinien die allgemeinen Vorschriften für die Stellenbesetzung und Verwendung der Unteroffiziere festlegen.

Artikel 25 - Abstellungen von Personal. Personal der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte kann aus diesen Streitkräften für Aufgaben außerhalb der Verteidigungsgemeinschaft einzeln abgestellt werden. Während der Dauer dieser Abstellung hat die Gemeinschaft keine Verpflichtung zum Unterhalt dieses Personals und übt keine unmittelbare Befehlsgewalt über dieses Personal aus; sie bearbeitet jedoch die Personalangelegenheiten der Abgestellten innerhalb ihres Herkunftskontignentes nach noch festzulegenden Bestimmungen weiter.

Titel IV. - Grundsätze für die Vereinheitlichung der Lehren und Methoden

Artikel 26 - Vereinheitlichung der Lehren und Methoden. § 1 Die Ausbildung und Herstellung der Verwendungsbereitschaft der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte werden gemäß Artikel 74 des Vertrages nach einheitlicher Lehre und nach einheitlichen Methoden geregelt; ihre Ausarbeitung erfolgt in Zusammenarbeit mit den zuständigen NATO-Organen und nach NATO-Richtlinien.

§ 2 Diese Lehre und Methoden werden in einheitlichen Vorschriften geregelt, die auf alle Kontingente der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte anwendbar sind.

Artikel 27 – Schulen. § 1 Mit Inkrafttreten des Vertrages werden eingerichtet:
- Lehrgänge für Generale und Generalstabsoffiziere,
- Lehrgänge für Offiziere, die Befehlsgewalt auszuüben haben:

    bei den Landstreitkräften:
- über eine Grundeinheit oder ein Regiment,
- bei den Luftstreitkräften:
- über entsprechende Verbände,

- Lehrgänge für Kommandeure von Schulen und deren wichtigste Lehrkräfte,
- Lehrgänge für mindestens zweisprachige Verbindungs-Offiziere,
- Lehrgänge für Dolmetscher,
- Lehrgänge zur Ausbildung bestimmter Gruppen von Stammpersonal und Spezialisten, die für die gesamte Europäische Verteidigungsgemeinschaft erforderlich sind (Fernmeldewesen, Radar, Luftunterstützung, Luftverteidigung und Fliegerabwehr, Landungsoperationen u.s.w.).

Diese Lehrgänge werden vom Kommissariat aufgebaut und unterstehen seiner unmittelbaren Verantwortlichkeit. In allen erforderlichen Fällen werden diese Lehrgänge als Wehrmachtslehrgänge abgehalten.

§ 2 Die bei Inkrafttreten des Vertrages bestehenden Schulen werden sobald wie möglich den Bedürfnissen der Gemeinschaft entsprechend in europäische Schulen umgewandelt werden; ausgenommen bleiben diejenigen Schulen, die zur Ausbildung der auf Grund des Vertrages national verbleibenden Streitkräfte erforderlich sind.

Die für die Gemeinschaft einzurichtenden Schulen sind von ihrer Schaffung an europäisch.

Alle diese Schulen unterliegen nachstehenden allgemeinen Richtlinien:
- Förderung des Geistes europäischer Zusammenarbeit;
- Inspektionen seitens der zuständigen Organe des Kommissariates;
- Sicherung eines gleichen Ausbildungsstandes durch einheitlichen Ablauf der Ausbildung und Schulung, und Lehrpläne, die nach Weisungen des Kommissariates aufgestellt werden;
- gemeinsame Ausbildungszeiten im Rahmen des Möglichen;
- eingehende Prüfung der Frage des Sprachenunterrichtes.

Die Schulen für die höhere Ausbildung sind gemischt (integriert).

Die Offizier-Ausbildungsschulen und die Waffenschulen sind ebenfalls gemischt (integriert); sie können jedoch zur Erleichterung des Unterrichtes national-geschlossene Abteilungen haben.

Vorläufig und für eine möglichst kurze Zeitspanne arbeiten die Offizier- und Waffenschulen zwar bereits unter der Verantwortung des Kommissariates, die Leitung der Schule ist gemischt (integriert), die Lehrkörper und die Lehrgänge können national-geschlossen sein. Die Schulen können in diesem Falle im Herkunftslande stationiert werden.

Für die Schulen zur Ausbildung bestimmter Gruppen von Unteroffizieren und Spezialisten gelten die gleichen Bestimmungen wie für die Offizier- der Waffenschulen.

§ 3 Die Organisation der Schulen und Lehreinrichtungen innerhalb der europäischen Seestreitkräfte erfolgt nach den oben festgelegten Grundsätzen unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Streitkräfte.

§ 4 Die Anwendung der Maßnahmen dieses Kapitels bei Ländern mit mehreren Amtssprachen erfolgt gemäß Artikel 74 des Vertrages.

Titel V. - Verwendung der Sprachen

Artikel 28. § 1 Jeder Angehörige der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte verwendet seine Muttersprache, vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Titels.

§ 2 Um innerhalb der Gemeinschaft das Studium verschiedener Nationalsprachen der Mitgliedstaaten zu fördern, werden nach Bestimmungen, die bei der Prüfung des Programms für die europäischen Schulen festzulegen sind, entsprechende Maßnahmen getroffen werden.

§ 3 Soweit sich aus praktischen Notwendigkeiten die Kenntnis einer gemeinsamen Hilfssprache als erforderlich erweist, wird nach Bestimmungen, die vom Kommissariat mit einstimmiger Zustimmung des Rates festzulegen sind, in den Ausbildungsschulen ein solcher Sprachunterricht erteilt werden.

Artikel 29. § 1 Unter "Bezugssprache" ist die Sprache zu verstehen, die bei Mißverständnissen oder Streitigkeiten maßgeblich sein soll.

Die Bezugssprache ist die Sprache derjenigen Stelle, die die Befehle, Anweisungen, u.s.w. ausgibt:
- für jeden Führungsstab einer Einheit die Sprache des Einheitskommandeurs,
- für das Kommissariat die französische Sprache.

§ 2 Untergeordnete Dienststellen erhalten die an sie gerichteten Befehle und Mitteilungen in ihrer eigenen Sprache und im allgemeinen außerdem in der Bezugssprache.

§ 3 Mitteilungen an einen übergeordneten Stab werden jeweils in der Sprache der absendenden Stelle abgefaßt.

§ 4 Mitteilungen zwischen einander nicht nachgeordneten Stellen werden im Hinblick auf die bestmöglich Verständigung in der einen oder anderen Sprache abgefaßt.

§ 5 Die Hilfssprache muß als eine Zusatzsprache angesehen werden, die für alle nachrichtentechnischen Verfahren (Funk, Schlüssel, Patrolen u.s.w.) und bei Schwierigkeiten in der Verwendung der anderen Sprache anzuwenden ist.

    Geschehen zu Paris am 27. Mai 1952

gez. Konrad Adenauer
Paul von Zeeland
Alcide de Gasperi
Robert Schuman
Joseph Bech
Dirk Stikker

Justizprotokoll

Die Hohen Vertragschließenden Teile

wünschen die Ausführungsbestimmungen zu den Vorschriften der Artikel 59 und 60 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu vervollständigen und näher festzulegen.

Sie sind wie folgt übereingekommen:

Titel I. – Schadensersatz

Kapitel I. – Haftung

Artikel 1. Die Gemeinschaft hat die Schäden zu ersetzen, die durch Amtsfehler verursacht sind.

Artikel 2. § 1 Die Gemeinschaft ist, selbst wenn kein Amtsfehler vorliegt, für die Schäden haftbar, die durch die in ihrer Obhut stehenden Liegenschaften und Einrichtungen entstanden sind, unbeschadet der etwaigen Haftung des Eigentümers gemäß dem Rechte seines Staates.

Die Haftung der Gemeinscahft fällt nur insoweit weg oder vermindert sich, als der Schaden nachweislich durch den Geschädigten oder einen Dritten verschuldet oder durch höhere Gewalt herbeigeführt worden ist.

§ 2 Die Gemeinschaft ist unter den gleichen Voraussetzungen auf Tätigkeitsgebieten haftbar, die eine besondere Gefahr für Dritte darstellen.

§ 3 Bis zur Schaffung eines gemeinsamen Rechtes über die Verkehrshaftung gegenüber geschädigten Dritten werden hinsichtlich dieser Schäden die vorstehenden Vorschriften von den zuständigen Organen der Gemeinschaft in der Weise angewandt, daß sie, soweit die Beachtung der Vorschriften dem nicht entgegensteht, eine angleichende Vereinigung der Grundsätze anstreben, die dem Rechte der Mitgliedstaaten eigentümlich sind.

Artikel 3. Wenn aus der Tätigkeit der Dienststellen der Gemeinschaft oder aus den in ihrer Obhut stehenden Liegenschaften oder Einrichtungen eine außergewöhnliche schwere Gefahr für Dritte entspringt, so kann die Haftung der Gemeinschaft nur soweit ausgeschlossen oder gemindert werden, als der Schaden nachweislich auf dem Verschulden des Geschädigten beruht.

Artikel 4. Die Gemeinschaft haftet für Schäden des Verkehrsnetzes oder der öffentlichen Anlagen, die sich aus der Benutzung durch ihre Streitkräfte oder ihre Dienststellen ergeben, und die nach Art oder Umfang merklich über die Schäden hinausgehen, die sich aus der gewöhnlichen Benutzung ergeben.

Artikel 5. Wenn nicht anders bestimmt wird, haftet die Gemeinschaft für die Beschädigung von Gegenständen, die ihr auf Grund eines Vertrages durch einen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechtes dieser Staaten zur Verfügung gestellt worden sind.

Artikel 6. Die Gemeinschaft haftet für die Schäden, die durch Verschulden der in ihren Diensten stehenden Personen bei Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit entstanden sind.

Diese Personen sind insoweit Dritten gegenüber nicht haftbar.

Artikel 7. § 1 Die im Dienste der Gemeinschaft stehenden Personen sind nach örtlichem Recht und im Verfahren vor den gewöhnlichen Gerichten gegenüber für die außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit schuldhaft verursachten Schäden haftbar.

Falls ein Streit darüber entsteht, ob die Schadenshandlungen in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit begangen sind, so wird die Sache dem zuständigen Landessenat des Gerichtshofes vorgelegt, dieser entscheidet, falls er nicht gemäß Artikel 13 an den Gerichtshof selbst verweist, nach seinem Ermessen über die Schuldfrage.

§ 2 Ungeachtet der Vorschrift des § 1 kann die Gemeinschaft dem Geschädigten eine billige Entschädigung gewähren; sie berücksichtigt dabei alle Umstände des Falles, insbesondere das Verhalten des Geschädigten. Ihre Entscheidung kann nicht gerichtlich angefochten werden.

Artikel 8. Wenn der Gemeinschaft durch besonders schweres Verschulden einer in ihren Diensten stehenden Personen ein unmittelbarer Schaden entstanden ist, oder wenn dadurch ihre Haftung gemäß den Vorschriften dieses Kapitels begründet worden ist, kann diese Person verurteilt werden, ganz oder teilweise den Schaden zu ersetzen, der durch ihre Handlung der Gemeinschaft entstanden ist.

Artikel 9. Die Mitgliedstaaten verzichten darauf, von der Gemeinschaft Schadensersatz zu verlangen, wenn ein Mitglied ihrer in die Gemeinschaft aufgenommenen Streitkräfte bei der Ausübung des Dienstes körperlichen Schaden genommen hat.

Kapitel II. - Verfahren

Artikel 10. § 1 Vorbehaltlich der Vorschriften des Artikels 16 werden die Schadensersatzansprüche vor örtliche Schadenskammern gebracht, deren Zahl, Bezirk und Verfahren durch eine Verordnung des Kommissariates bestimmt werden.

§ 2 Diese Kammern setzen sich zusammen:
- aus einem Vorsitzenden, der vom Kommissariat oder einer vom Kommissariat hierzu ermächtigten Behörde bestimmt wird; dieser muß die Befähigung zum Richteramte und die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates besitzen;
- aus einem Mitglied, das vom Kommissariat aus den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten bestimmt wird, aber nicht Staatsangehöriger des Aufenthaltsstaates ist;
- aus einem Mitglied der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte, das von der örtlich zuständigen militärischen Behörde bestimmt wird.

§ 3 Die Kammer verhandelt über den Antrag und veranlaßt die etwa notwendigen Untersuchungen, Nachprüfungen und Gutachten. Der Vorsitzende sucht nach Maßgabe der ihm durch die allgemeinen Vorschriften des Kommissariates übertragenen Befugnisse einen gütlichen Ausgleich mit dem Antragsteller herbeizuführen. Kommt kein gütlicher Ausgleich zustande, so setzt die Kammer den dem Antragsteller zustehenden Schadensersatz fest.

Die Entscheidung wird mit Mehrheit getroffen. Sie ist mit Gründen zu versehen.

Die Kammer kann dem Antragsteller, unabhängig von der Frage der Rechtsmittel, eine Abschlagszahlung auf die Schadensersatzsumme bewilligen.

Artikel 11. Gegen die Entscheidung der Kammer können der Antragsteller oder das Kommissariat binnen zwei Monaten Berufung einlegen; diese Frist rechnet beim Antragsteller von der Bekanntgabe der Entscheidung, beim Kommissariat von der Verkündung der Entscheidung. Anschlußberufung kann binnen einer Frist eingelegt werden, die in den Verfahrensvorschriften des Gerichtshofes festgesetzt wird.

Unbeschadet der vorläufigen Maßnahmen, die nach den in Artikel 10 § 3 vorgesehenen Verfahrensvorschriften möglich sind, sind die Entscheidungen der Kammer nur dann vor Ablauf der Berufungsfrist vollstreckbar, wenn Antragsteller und Kommissariat auf die Berufung verzichten. Die Berufung hat aufschiebende Wirkung.

Artikel 12. Die Berufung wird vor einem Landessenat des Gerichtshofes verhandelt. Dieser besteht aus einem Richter des Gerichtshofes als Vorsitzendem und aus vier weiteren Richtern der Gemeinschaft als Beisitzern; die Beisitzer müssen die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates besitzen. Bei bestimmten Arten von Fällen braucht der Senat nur mit drei Richtern besetzt zu sein.

Zahl und örtlicher Zuständigkeitsbereich der Senate sowie die Voraussetzungen, unter denen die Senate gegebenenfalls an verschiedenen Orten ihres Zuständigkeitsbereiches zu tagen haben, werden durch Entscheidungen des Rates bestimmt. Diese Entscheidungen ergehen auf Vorschlag des Präsidenten des Gerichtshofes, nachdem die Stellungnahme des Kommissariates eingeholt worden ist.

Die Landessenate prüfen den Fall, vervollständigen, falls erforderlich, die Unterlagen und entscheiden in letzter Instanz.

Artikel 13. Wenn ein Fall Grundsatzfragen aufwirft, kann er entweder durch den Landessenat oder nach Anhörung der Beisitzer durch dessen Präsidenten an den Gerichtshof verwiesen werden; doch muß die Schadenssumme 3000 US-Dollar übersteigen. Falls die Schadenssumme 3000 US-Dollar nicht übersteigt, kann das Kommissariat, wenn der Fall Grundsatzfragen aufwirft, zur Wahrung der Rechtseinheit den Gerichtshof gegen die Entscheidung des Landessenates anrufen; für die Parteien ist die Entscheidung des Landessenates endgültig.

Die Entschließung des Gerichtshofes ergehen in einer Besetzung mit den Richtern, die Vorsitzende der Landessenate sind.

Artikel 14. Die auf die Artikel 1, 2, 3, 5 und 8 gegründeten Anträge können nur binnen einer Frist von fünf Jahren vom Zeitpunkt des den Anspruch begründenden Ereignisses geltend gemacht werden. Das gleiche gilt für Anträge aller Art aus den Vorschriften dieses Titels, die Streitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten oder den auf ihrem Gebiet bestehenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften haben.

Bei Ansprüchen jeder Art aus Verkehrsunfällen beträgt die Frist dagegen drei Jahre.

Artikel 15. Die Entscheidungen des Gerichtshofes und der Landessenate sowiem die rechtskräftigen Entscheidungen der örtlichen Schadenskammern sind nach Maßgabe des Artikels 66 des Vertrages vollstreckbar.

Artikel 16. Für alle Streitigkeiten zwischen der Gemeinschaft einerseits und den Mitgliedstaaten oder den auf ihrem Gebiet bestehenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften andererseits über die Anwendung der Vorschriften dieses Titels ist der Gerichtshof ausschließlich zuständig.

Kapitel III. - Sonderbestimmung

Artikel 17. Die Gemeinschaft haftet für die Schäden, die durch Manöver oder Übungen der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte oder durch deren Unterbringung verursacht worden sind.

Die Art und Weise ihrer Feststellung und Schätzung sowie die Fristen für die Geltendmachung der Ansprüche werden durch Verordnung des Kommissariates bestimmt. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Rates mit Zweidrittel-Mehrheit; die Regierungen der jeweils in Betracht kommenden Mitgliedstaaten sind vorher zu hören.

Titel II. - Strafrechtliche Bestimmungen

Kapitel I. - Endgültige Bestimmungen

Artikel 18. Mit Inkrafttreten des Vertrages übertragen die Mitgliedstaaten ihre Strafgewalt, soweit es sich um Straftaten von Mitgliedern der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte handelt, auf die Europäische Verteidigungsgemeinschaft.

Artikel 19. Die Bestrafung dieser Straftaten wird sobals wie möglich durch eine gemeinsame Gesetzgebung sichergestellt. Diese ist unter Beachtung der in jedem Mitgliedstaate geltenden Verfassungsvorschriften auszuarbeiten; sie soll sich auch auf die Regelung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens erstrecken.

Die Befugnisse des Gerichtshofes sind hierbei entsprechend zu erweitern.

Kapitel II. - Übergangsvorschriften

Artikel 20. Bis zum Inkrafttreten der in Artikel 19 vorgesehenen gemeinsamen Gesetzgebung sind vorübergehend die Vorschriften der nachstehenden Artikel anzuwenden.

Artikel 21. Die richterliche Gewalt der Gemeinschaft wird gemäß den nachstehenden Vorschriften von Gerichten wahrgenommen, die ineuropäischer Hoheitsausübung tätig werden.

Artikel 22. Die in Artikel 21 genannten Gerichts sind:

1. Der Gerichtshof; dieser entscheidet nach Maßgabe des Artikels 30 über:
- Zuständigkeitsschwierigkeiten,
- Rechtsfragen, die sich auf die Auslegung des Vertrages, der Zusatzprotokolle und der sie ergänzenden Vorschriften beziehen,
- alle anderen Fragen, in denen er gegebenenfalls später Zuständigkeiten erhält, insbesondere die Bestrafung bestimmter Straftaten der in Artikel 18 genannten Personen, die eine schwere Verletzung der Interessen der Gemeinschaft darstellen.

2. Gerichte, die sein können:
- europäische Gerichte nationaler Zusammensetzung, die in letzter Instanz einem Landessenate des Gerichtshofes unterstehen;
- Gerichte der Mitgliedstaaten, die kraft Ermächtigung der Gemeinschaft tätig werden; diese Lösung greift dann Platz, wenn der betreffende Mitgliedstaaten sie aus verfassungsrechtlichen Gründen oder aus Gründen des allgemeinen grundlegenden Gerichtsaufbaues für notwendig erachtet.

Artikel 23. Verfassung und Verfahren der in Artikel 22 bezeichneten Gerichte, einschließlich der Änderungen, die für die Verfassung und das Verfahren der Landessenate des Gerichtshofes in ihrer strafrechtlichen Tätigkeit vorzusehen sind - werden durch die Gesetzgebung der betreffenden Mitgliedstaaten geregelt. Diese Regeln gelten bezüglich der europäischen Gerichte als europäisches Recht.

Artikel 24. Unbeschadet der Vorschriften des Artikels 30 Ziffer 3 unterstehen die in Artikel 18 genannten Personen den in Artikel 22 Ziffer 2 vorgesehenen Gerichte in der Weise, daß entweder europäische Gerichte, die in ihrer Zusammensetzung ihrer Herkunft entsprechen, oder ihre nationalen Gerichte, die kraft Ermächtigung der Gemeinschaft tätig werden, zuständig sind.

Artikel 25. Vorbehaltlich der in diesem Protokoll vorgesehenen Ausnahmen unterstehen die unterhaltsberechtigten Personen, die sich außerhalb des Gebietes des Herkunftsstaates befinden, den sonst zuständigen Gerichten des Aufenthaltsstaates.

Die in vorstehendem Absatz aufgeführten Ausnahmen werden unter Beachtung der Verfassungsvorschriften jedes einzelnen Mitgliestaates bestimmt.

Artikel 26. § 1 Die in Artikel 18 dieses Protokolles genannten Personen unterstehen weiterhin ausschließlich der Rechte des Herkunftsstaates, soweit nicht dieses Protokoll Ausnahmen zugunsten des Rechtes des Aufenthaltsstaates vorsieht.

§ 2 Bei den Ausnahmen ist auszugehen:
- von dem streng gebietsmäßigen Charakter bestimmter Vorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Straßenverkehrs, der Jagd und der Fischerei;
- von den Belangen des Aufenthaltsortes und seiner Einwohner; dies gilt insbesondere für Straftaten, die sich gegen diesen Staat oder seine Einwohner richten, und die nach dem Gesetz des Herkunftsstaates entweder nicht als Straftaten angesehen oder mit wesentlich geringeren Strafen belegt werden als nach dem Gesetz des Aufenthaltsstaates.

§ 3 Für die Anwendung des Gesetzes des Aufenthaltsstaates wird eine Vergleichstafel über das Verhältnis der verschiedenen Strafen ausgearbeitet, die in dem jeweiligen Rechte der Mitgliedstaaten vorgesehen sind.

Artikel 27. Das Gnadenrecht bezüglich der Strafen, welche die in Artikel 22 bezeichneten Gerichte gegen Mitglieder der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte ausgesprochen haben, wird durch die im Herkunftsstaates zuständigen Stellen ausgeübt.

Artikel 28. § 1 Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen erfolgt durch die Behörden des jeweiligen Herkunftsstaates.

§ 2 Doch kann für Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten die Vollstreckung durch das in Artikel 30 vorgesehenen Abkommen anderweitig geregelt werden.

Artikel 29. § 1 Im Rechte jedes Mitgliedstaates finden die gesetzlichen Vorschriften über die Bestrafung der Straftaten gegen die nationalen Streitkräfte, ihre Einrichtungen oder ihre Mitglieder auf Taten gleicher Art gegen die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte oder ihre Mitglieder Anwendung.

§ 2 In jedem Mitgliedstaate wird ferner die Regierung den gesetzgebenden Körperschaften die für notwendig erachteten Gesetzesvorlagen machen, um auf dem Gebiete dieses Staates die Sicherheit und den Schutz der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte, ihrer Einrichtungen, ihres Materials, ihres Eigentums, ihrer Archive und Urkunden sowie die Bestrafung der Straftaten gegen diese Gesetzgebung sicherzustellen.

Artikel 30. In einem besonderen Abkommen werden festgelegt:
1. Die Verfassung des Gerichtshofes, die Vorschriften für sein Verfahren einschließlich des Gebrauchs der Sprachen und nach Maßgabe des Artikels 22 § 1 die Vorschriften über seine Zuständigkeit. Bei der Regelung der in Artikel 22 § 1 a) genannten Zuständigkeitsstreitigkeiten in der Grundstz der unbedingten Gleichheit der von den Mitgliedstaaten angewandten Rechtsvorschriften - gleichviel, ob es sich um europäische oder nationale Vorschriften handelt – zu beachten;
2. die Vorschriften, die erforderlich sind, um einen strafrechtlichen Schutz der Belange der Gemeinschaft sicherzustellen;
3. die Fälle, in denen auf die Ausübung der in Artikel 24 vorgesehenen Gerichtsbarkeit verzichtet werden kann;
4. die in Artikel 25 genannten Ausnahmen. Diese werden nach folgenden Grundsätzen festgelegt: Die unterhaltsberechtigten Personen unterstehen Gerichten, die europäische Gerichtshoheit ausüben, wenn die Straftat sich gegen die europäische Verteidigungsgemeinschaft oder die Person oder das Vermögen eines Mitgliedes der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte richtet. In diesem Falle ist für die Aburteilung der unterhaltsberechtigten Personen das Gericht zuständig, das gemäß Artikel 22 für die Aburteilung des Familienoberhauptes in seiner Eigenschaft als Mitglied des Militär- und Zivilpersonals der Verteidigungsstreitkräfte zuständig wäre. Die nach dem Strafrechte ihres Herkunftsstaates Minderjährigen unterstehen ausschließlich der zuständigen Gerichtsbarkeit ihres Herunftsstaates. Die zuständigen Behörden teilen sich in allen Fällen gegenseitig ihre Entscheidungen mit und unterrichten sich gegenseitig von dem Verlaufe der Verfahren;
5. die in Artikel 26 genannten Ausnahmen;
6. die Bedingungen, unter denen die Organe der Gemeinschaft eine Strafverfolgung einleiten können;
7. die Art und Weise der Rechtshilfe;
8. die Befugnisse der Militärpolizei und der Polizei des Aufenthaltsstaates auf dem Gebiet der Strafverfolgung und der Regelung ihrer gegenseitigen Rechtshilfe;
9. alle Vorschriften, die notwendig sein könnten, um das Protokoll wirksam werden zu lassen.

Titel III. - Übergangsvorschriften für Belgien

Im Hinblick auf die verfassungsmäßigen Schwierigkeiten, die sich in Belgien zur Zeit noch der vollen Anwendung der Vorschriften dieses Protokolls entgegenstellen, sind die folgenden Vorschriften auzuwenden:

Artikel 31. In Abweichung von den Vorschriften dieses Protokolls sind bis auf weiteres für Straftaten, die auf dem Hoheitsgebiete des belgischen Staates durch Mitglieder der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte belgischer Herkunft begangen worden sind, nur die belgischen Gerichte zuständig; sie entscheiden auf Grund und nach Maßgabe des belgischen Rechtes; das gilt sowohl für das anzuwendende Strafrecht wie für das Verfahren, Rechtsmittel und Rechtsbehelfe.

Artikel 32. In Abweichung von den Vorschriften dieses Protokolles kann bis auf weiteres bei Schadensfällen auf belgischem Gebiete der Geschädigte, der die Entscheidung der örtlichen Schadenskammer nicht annimmt und nicht von der in Artikel 11 vorgesehenen Berufung von dem Landessenate Gebrauch macht, binnen einer Frist von drei Monaten vom Zeitpunkte der Zustellung ab vor dem zuständigen belgischen Gerichte Zivilklage gegen den belgischen Staat zu erheben; dieser ist in gleichem Maßge wie bei Amtsfehlern seiner Dienststellen zum Schadenersatze verpflichtet.

Im letztgenannten Falle bleibt dem zum Schadensersatze verurteilten belgischen Staate der Rückgriff gegen die Gemeinschaft vor dem Gerichtshofe vorbehalten; dieser entscheidet nach Maßgabe dieses Protokolls.

Titel IV. - Definitionen und Schlußbestimmungen

Artikel 33. - Die "Mitglieder der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte" umfassen Mitglieder des Militär- und Zivilpersonals.

- Das "Zivilpersonal" ist der nichtmilitärische Teil des Personals, das unter den von den zuständigen Stellen der Gemeinschaft festgelegten Bedingungen organisch zu den Europäischen Verteidigungsstreitkräften gehört.

- Unter "unterhaltsberechtigter Person" ist zu verstehen der Ehegatte eines Mitgliedes des Militär- oder Zivilpersonals, seine minderjährigen Kinder und ausnahmsweise die in direkter Linie mit ihm verwandten Vorfahren oder Nachkommen, die normalerweise mit ihm im Haushalte leben und von den zuständigen Behörden der Gemeinschaft ermächtigt sind, das Familienoberhaupt zu begleiten.

- Der "Herkunftsstaat" ist der Mitgliedstaat, dem die Mitglieder des Militär- oder Zivilpersonals vor ihrem Beitritte zu den Europäischen Verteidigungsstreitkräften angehörten.

- Der "Aufenthaltsstaat" ist der Mitgliedstaat, auf dessen Gebiet sich Mitglieder des Militär- oder Zivilpersonals der Europäischen Verteidgungsstreitkräfte dauernd oder vorübergehend aufhalten.

Artikel 34. Die Ausführung dieses Protokolls wird durch das in Artikel 30 genannten besondere Abkommen näher bestimmt. Dieses bildet einen Teil der in Artikel 67 des Vertrages vorgesehenen Gerichtsordnung.

    Geschehen zu Paris am 27. Mai 1952

Konrad Adenauer
Paul von Zeeland
Robert Schuman
Alcide de Gasperi
Joseph Bech
Dirk Stikker

Protokoll über allgemeine Strafrechtsgrundsätze

In Anbetracht der grundsätzlichen Bedeutung eines einheitlichen Vorgehens gegen Straftaten im Rahmen der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte sind sich die Mitgliedstaaten über die Notwendigkeit einig. sobald wie möglich eine gemeinsame Militärstrafgesetzgebung zu schaffen, die von allgemeinen Grundsätzen geleitet ist, welche auf ihrem gemeinsamen juristischen Erbe beruhen, insbesondere von den folgenden, deren Aufzählung nicht erschöpfend ist:

1. Niemand kann für eine Straftat bestraft werden, die das Gesetz nicht ausdrücklich als solche bestimmt, noch kann er mit Strafen belegt werden, die vom Gesetz nicht ausdrücklich festgesetzt sind.

2. Das Strafgesetz kann weder hinsichtlich der Begriffsbestimmung der Straftat noch der Festsetzung der Strafe rückwirkende Kraft besitzen. Wird die Gesetzgebung nach dem Zeitpunkt der Begehung der Straftat geändert, so sind grundsätzlich die Bestimmungen anzuwenden, die sich für den Beschuldigten am günstigsten auswirken.

3. Bei der Festsetzung der Strafen und bei der Art ihrer Anwendung wird die Schwere der Straftat, ferner der Umstand, ob der Täter sie als solche erkannte und schließlich, ob er den Willen hatte, sie zu begehen, berücksichtigt, jedoch soll die Unkenntnis des Strafgesetzes nicht ein allgemeiner Grund für Straffreiheit sein können.

4. Infolgedessen soll das Gesetz gestatten, das Strafmaß anzupassen und gegebenenfalls den Strafvollzug den tatsächlichen Umständen der Tat und den persönlichen Gegebenheiten beim Täter anzupassen.

5. Das Gesez soll die Fälle festlegen, in denen der materielle Urheber einer Straftat nicht strafbar ist, dies ist insbesondere der Fall:
- wenn der Täter im Augenblick der Begehung der Tat vollkommen seines Bewußtseins oder seines Willens beraubt war. Demjenigen, der sich vorsätzlich in einen derartigen Zustand versetzt hat, kann jedoch das Gesetz die obigen Strafausschließungsgründe verweigern.
- wenn der Täter sich infolge eines unwiderstehlichen physischen oder moralischen Zwanges genötigt sah, eine Handlung zu begehen oder sie zu unterlassen.
- wenn der Täter von einer hierzu befugten Stelle einen rechtmäßigen Befehl erhalten hat.
-wenn der Täter in Notwehr gehandelt hat.
 

6. Bei der Festsetzung der Strafbarkeit und den Erwägungen hinsichtlich der Gewährung von Strafmilderungen und ihres Ausmaßes soll das Gesetz dem Alter des Täters Rechung tragen.

7. Die Hauptstrafen sind folgende: Todesstrafe ,Freiheitsstrafen und möglicherweise Geldstrafen.

8. Für Täter, die Staatsangehörige von Ländern sind, in denen die Todesstrafe abgeschaft ist, kann eine lebenslängliche Freiheitsstrafe an die Stelle der Todesstrafe treten.

9. Das Gesetz kann Strafen vorsehen, die zu den Hauptstrafen hinzutreten können, und zwar entweder als zwangsläufige Nebenfolgen oder auf besondere Entscheidung des Richters. Für bestimmte Straftaten können diese Nebenstrafen möglicherweise als Hauptstrafen festgesetzt werden. In all ihre Bestimmungen wird die gemeinsame Gesetzgebung die Achtung vor den Freiheiten und Grundrechten des Menschen gewährleisten. Insbesondere:

10. Niemand kann der Folterung oder grausamen, unmenschlichen oder entehrenden Strafen oder Behandlungsmethoden unterworfen werden.

11. Niemand kann willkürlich festgenommen oder festgehalten werden.

12. Alle der Gerichtsbarkeit Unterworfenen sind vor dem Gesetz gleich und erhalten jeden zu ihrer Verteidigung notwendigen Schutz, sie gelten als unschuldig bis ihnen ihre Schuld gesetzlich nachgewiesen ist.

    Geschehen zu Paris am 27. Mai 1952

Konrad Adenauer
Paul von Zeeland
Robert Schuman
Alcide de Gasperi
Joseph Bech
Dirk Stikker


Quelle: Bundesgesetzblatt Teil II 1954 S. 343ff.
© 29. Mai 2000 - 24. Januar 2003
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