Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft

Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland,

Seine Majestät der König der Belgier,

der Präsident der Französischen Republik,

der Präsident der Italienischen Republik,

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin von Luxemburg,

Ihre Majestät die Königin der Niederlande,

haben sich entschlossen, zusammen mit den übrigen freien Völkern im Geist der Satzung der Vereinten Nationen zur Erhaltung des Friedens beizutragen und insbesondere in enger Verbindung mit den Organisationen gleichen Zieles die Verteidigung Westeuropas gegen jeden Angriff zu sichern.

Sie haben erwogen, daß das beste Mittel, dieses Ziel rasch und wirksam zu erreichen, darin besteht, Menschen und Hilfsquellen, soweit das mit den militärischen Erfordernissen verträglich ist, in gemeinsamen Verteidigungsstreitkräften im Rahmen einer überstaatlichen europäischen Organisation völlig zu verschmelzen.

Sie sind überzeugt, daß diese Verschmelzung, insbesondere ein gemeinsamer Haushalt und gemeinsame Rüstungsprogramme, zur zweckmäßigsten und wirtschaftlichsten Verwendung der Hilfsquellen ihrer Länder führen wird.

Sie sind entschlossen, auf diese Weise die Entwicklung ihrer Wehrkraft zu sichern, ohne den sozialen Fortschritt zu beeinträchtigen.

Sie werden es sich dabei angelegen sein lassen, die geistigen und sittlichen Werte zu wahren, die das gemeinsame Erbe ihrer Völker sind und sie sind überzeugt, daß in der gemeinsamen Streitmacht, die ohne unterschiedliche Behandlung der beteiligten Staaten gebildet wird, die Vaterlandsliebe der Völker nicht an Kraft verlieren, sondern sich vielmehr festigen und in erweitertem Rahmen neue Gestalt finden wird.

Sie tun diesen Schritt in dem Bewußtsein, hiermit einen weiteren und bedeutsamen Abschnitt auf dem Wege zur Schaffung eines geeinten Europas zurückzulegen.

Sie haben daher beschlossen, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft zu gründen und zu diesem Zweck als Bevollmächtigte bestellt:

Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland,

Herrn Dr. Konrad Adenauer, Bundeskanzler und Bundesminister des Auswärtigen;

Seine Majestät der König der Belgier,

Herrn Paul van Zeeland, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;

Der Präsident der Französischen Republik,

Herrn Robert Schuman, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;

Der Präsident der Italienischen Republik,

Herrn de Gasperi, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin von Luxemburg,

Herrn Bech, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;

Ihre Majestät die Königin der Niederlande,

Herrn Stikker, Minister für Auswärtige Angelegenheiten;

Diese haben nach Austausch ihrer als gut und gehörig befundenen Vollmachten nachstehende Bestimmungen vereinbart:

Erster Titel - Grundsätzliche Bestimmungen

Kapitel I. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft

Artikel 1. Durch diesen Vertrag begründen die Hohen Vertragschließenden Teile unter sich eine EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNGSGEMEINSCHAFT. Diese ist ihrem Wesen nach überstaatlich; sie hat gemeinsame Organe, gemeinsame Streitkräfte und einen gemeinsamen Haushalt.

Artikel 2. § 1 Die Gemeinschaft dient ausschließlich der Verteidigung.

§ 2 Sie gewährleistet daher nach Maßgabe dieses Vertrages die Sicherheit der Mitgliedstaaten gegen jede Aggression. Hierzu beteiligt sie sich im Rahmen des Nordatlantikpaktes an der westlichen Verteidigung und verwirklicht die Verschmelzung der Verteidigungsstreitkräfte der Mitgliedstaaten sowie den zweckmäßigen und wirtschaftlichen Einsatz ihrer Hilfsquellen.

§ 3 Jede bewaffnete Aggression gegen irgendeinen der Mitgliedstaaten in Europa oder gegen die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte wird als ein Angriff gegen alle Mitgliedstaaten angesehen.

Die Mitgliedstaaten und die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte leisten dem so angegriffenen Staat mit allen ihnen zu Gebote stehenden militärischen und sonstigen Mitteln Hilfe und Beistand.

Artikel 3. § 1 Die Gemeinschaft verwendet die Mittel, die am wenigsten belasten und am meisten Erfolg bringen. Sie greift nur ein, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich ist; sie wahrt dabei die staatsbürgerlichen Rechte und die Grundrechte des einzelnen. Sie sorgt dafür, daß die Belange der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden, soweit dies irgendwie mit ihren eigenen wesentlichen Belangen vereinbar ist.

§ 2 Zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft stellen ihr die Mitgliedstaaten die erforderlichen Beiträge nach den Vorschriften der Artikel 87 und 94 zur Verfügung.

Artikel 4. Die Gemeinschaft wirkt bei ihrem Vorgehen mit den freien Völkern und mit jeder Organisation zusammen, welche die gleichen Ziele wie sie selbst verfolgt.

Artikel 5. Die Gemeinschaft arbeitet eng mit der Organisation des Nordatlantikpaktes zusammen.

Artikel 6. Der Vertrag läßt keinerlei unterschiedliche Behandlung der Mitgliedstaaten zu.

Artikel 7. Die Gemeinschaft hat Rechtspersönlichkeit.

Im zwischenstaatlichen Verkehr hat die Gemeinschaft die für die Durchführung ihrer Aufgaben und Erreichung ihrer Ziele erforderliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit.

Die Gemeinschaft hat in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen dieses Staates zuerkannt ist; sie kann insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern, sowie klagen und verklagt werden.

Die Gemeinschaft wird durch ihre Organe im Rahmen ihrer Befugnisse vertreten.

Artikel 8. § 1 Die Organe der Gemeinschaft sind:
- Der Ministerrat, nachstehend "Der Rat" genannt;
- Die Gemeinsame Versammlung, nachstehend "Die Versammlung" genannt;
- Das Kommissariat der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, nachstehend "Das Kommissariat" genannt;
- Der Gerichtshof.

§ 2 Unbeschadet des Artikels 126 bleibt der in diesem Vertrage festgelegte Aufbau der Organe bestehen, bis er durch das in Artikel 38 vorgesehene bundesstaatliche oder staatenbündische Gemeinwesen ersetzt wird.

Kapitel II. Die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte

Artikel 9. Die Streitkräfte der Gemeinschaft, nachstehend "Europäische Verteidigungsstreitkräfte" genannt, bestehen aus Kontingenten, die der Gemeinschaft zur Verschmelzung nach Maßgabe dieses Vertrages von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werden.

Kein Mitgliedstaat darf nationale Streitkräfte, außer den in Artikel 10 genannten, rekrutieren oder unterhalten.

Artikel 10. § 1 Die Mitgliedstaaten können nationale Streitkräfte zur Verwendung in außereuropäischen Gebieten, für die sie die Verteidigungspflicht übernommen haben, rekrutieren und unterhalten; das gleiche gilt für die Einheiten, die im Mutterland zur Ergänzung und Ablösung dieser Streitkräfte erforderlich sind.

§ 2 Die Mitgliedstaaten dürfen ferner zur Durchführung zwischenstaatlicher Aufgaben, die sie in Berlin, in Österreich oder gemäß den Entscheidungen der Vereinten Nationen übernommen haben, nationale Streitkräfte rekrutieren und unterhalten. Nach Beendigung dieser Aufgaben werden diese Truppen aufgelöst oder der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Mit Zustimmung des zuständigen Oberbefehlshabers der Nordatlantikpakt-Organisation können die Truppen mit Einheiten der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte, die aus Kontingenten der betreffenden Mitgliedstaaten bestehen, ausgetauscht werden.

§ 3 Die in den einzelnen Mitgliedstaaten für den persönlichen Schutz des Staatsoberhauptes bestimmten Einheiten bleiben national.

§ 4 Die Mitgliedstaaten können nationale Seesteitkräfte unterhalten, und zwar einerseits zum Schutz der nichteuropäischen Gebiete, für die sie die in § 1 genannte Verteidigungspflicht übernommen haben, sowie zum Schutz der Verbindungen mit und zwischen diesen Gebieten, andererseits zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus den in § 2 genannten zwischenstaatlichen Aufgaben und aus Abkommen, die vor Inkrafttreten dieses Vertrages im Rahmen des Nordatlantikpaktes getroffen worden sind.

§ 5 Die Gesamtstärke der genannten nationalen Streitkräfte darf einschließlich der Ersatzeinheiten keinen solchen Umfang annehmen, daß der durch Regierungsabkommen der Mitgliedstaaten festgelegte Beitrag der Mitgliedstaaten zu den Europäischen Verteidigungsstreitkräften beeinträchtigt wird.

Die Mitgliedstaaten können Einzelpersonen zwischen den, den Europäischen Verteidigungsstreitkräften zur Verfügung gestellten Kontingenten und den Streitkräften, die diesen nicht angehören, austauschen; doch darf sich daraus keine Verringerung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte ergeben.

Artikel 11. Polizei- und Gendarmeriestreitkräfte, die lediglich zur Erhaltung der inneren Ordnung bestimmt sind, können innerhalb der Mitgliedstaaten rekrutiert und unterhalten werden.

Der nationale Charakter dieser Streitkräfte wird durch diesen Vertrag nicht berührt.

Umfang und Art dieser im Gebiet der Mitgliedstaaten bestehenden Streitkräfte dürfen die Grenzen ihrer Aufgaben nicht überschreiten.

Artikel 12. § 1 Bei bestehenden oder drohenden Unruhen im europäischen Gebiet eines Mitgliedstaates wird diesem auf seinen Antrag vom Kommissariat der Teil seiner zu den Europäischen Verteidigungsstreitkräften beigesteuerten Kontingente zur Verfügung gestellt, der erforderlich ist, um der Lage zu begegnen; der Rat wird unterrichtet.

Der Einsatz dieser Einheiten erfolgt nach den im Hoheitsgebiet des antragstellenden Mitgliedstaates geltenden Vorschriften.

§ 2 Falls Katastrophen oder Notstände eine sofortige Hilfe erforderlich machen, haben die zu wirksamem Einschreiten fähigen Einheiten der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte, gleich welchen Ursprungs, ihre Mithilfe zur Verfügung zu stellen.

Artikel 13. Bei einer schweren Krise in einem außereuropäischen Gebiet, für das ein Mitgliedstaat die Verteidigungspflicht übernommen hat, wird diesem Mitgliedstaat auf seinen Antrag vom Kommissariat mit Zustimmung des zuständigen Oberbefehlshabers der Nordatlantikpakt-Organisation der Teil seiner zu den Europäischen Verteidigungsstreitkräften beigesteuerten Kontingente zur Verfügung gestellt, der erforderlich ist, um der Krise zu begegnen; der Rat wird unterrichtet. Die so abgestellten Kontingente unterstehen nicht mehr der Gemeinschaft, bis sie ihr, sobald ihr Einsatz nicht mehr erforderlich ist, wieder zur Verfügung gestellt werden.

Die militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des oben bezeichneten Abzugs werden in jedem einzelnen Fall vom Kommissariat geprüft und mit Zustimmung einer Zweidrittel-Mehrheit des Rates geregelt.

Artikel 14. Wird einem Mitgliedstaat eine zwischenstaatliche Aufgabe übertragen, die er außerhalb des in Artikel 120 § 1 bezeichneten Gebietes durchzuführen hat, so wird der Teil seiner zu den Europäischen Verteidigungsstreitkräften beigesteuerten Kontingente, der zur Durchführung dieser Aufgabe erforderlich ist, ihm auf seinen Antrag mit Zustimmung des zuständigen Oberbefehlshabers der Nordatlantikpakt-Organisation vom Kommissariat zur Verfügung gestellt; der Rat muß mit einer Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Die so abgestellten Kontingente unterstehen nicht mehr der Gemeinschaft, bis sie ihr, sobald ihr Einsatz nicht mehr erforderlich ist, wieder zur Verfügung gestellt werden.

In einem solchen Fall findet Artikel 13 Absatz 2 Anwendung.

Artikel 15. § 1 Die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte bestehen aus Wehrpflichtigen und Berufssoldaten oder langfristig dienenden Freiwilligen.

§ 2 Sie werden nach den Grundvorschriften der Artikel 68, 69 und 70 verschmolzen.

Sie tragen eine einheitliche Uniform.

Sie werden nach den im Militärprotokoll bestimmten Mustern aufgebaut. Der Aufbau kann durch einstimmigen Beschluß des Rates geändert werden.

§ 3 Die für die Aufstellung der Verbände bestimmten Kontingente werden von den Mitgliedstaaten gemäß einem zwischen den Regierungen vereinbarten Aufstellungsplan zur Verfügung gestellt. Dieser Plan kann nach Maßgabe des Artikels 44 geändert werden.

Artikel 16. Die Heimatverteidigung der Gebiete der Mitgliedstaaten gegen Angriffe jeder Art mit militärischen Zielen, die durch einen äußeren Feind hervorgerufen oder ausgeführt werden, erfolgt durch national-geschlossene Einheiten europäischer Rechtsstellung; diese sind in jedem Mitgliedstaat für die Verteidigung seines Gebietes besonders aufgebaut und ausgerüstet; für ihren Einsatz sind die in Artikel 18 vorgesehenen Behörden zuständig.

Artikel 17. Jeder Mitgliedstaat stellt den Schutz der Zivilbevölkerung sicher.

Artikel 18. § 1 Der zuständige Oberbefehlshaber der Nordatlantikpakt-Organisation kann sich, vorbehaltlich des in § 3 genannten Falles, vergewissern, daß die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte zufriedenstellend aufgebaut, ausgerüstet, ausgebildet und einsatzbereit gemacht werden.

Sobald die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte einsatzbereit sind, stehen sie, vorbehaltlich des genannten Sonderfalles, dem Oberbefehlshaber der Nordatlantikpakt-Organisation zur Verfügung; dieser hat ihnen gegenüber die Befugnisse und Pflichten, die sich aus seiner Stellung ergeben. Er teilt insbesondere der Gemeinschaft seine Bedürfnisse hinsichtlich der Gliederung und Aufteilung der Streitkräfte mit; die entsprechenden Pläne werden gemäß Artikel 77 durchgeführt.

Die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte erhalten von den zuständigen Stellen der Nordatlantikpakt-Organisation im Rahmen der militärischen Zuständigkeit dieser Stellen technische Anweisungen.

§ 2 Im Krieg hat der zuständige Oberbefehlshaber der Nordatlantikpakt-Organisation gegenüber den bezeichneten Streitkräften die volle Gewalt und Verantwortung, die sich aus seiner Stellung als Oberbefehlshaber ergibt.

§ 3 Für die in der Heimatverteidigung und küstennahen Seeverteidigung der Mitgliedstaaten eingesetzten Europäischen Verteidigungsstreitkräfte werden die für Führung und Einsatz verantwortlichen Stellen entweder durch Abkommen im Rahmen der Nordatlantikpakt-Organisation oder durch Vereinbarung zwischen der Nordatlantikpakt-Organisation und der Gemeinschaft bestimmt.

§ 4 Erlicht der Nordatlantikpakt vor diesem Vertrag, so vereinbaren die Mitgliedstaaten die Stelle, der Führung und Einsatz der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte anvertraut werden.

Titel II. - Die Organe der Gemeinschaft

Kapitel I. Das Kommissariat

Artikel 19. Das Kommissariat hat nach Maßgabe dieses Vertrages Handlungs- und Aufsichtsbefugnisse zur Erfüllung der Aufgaben, die ihm nach dem Vertrag obliegen.

Artikel 19a. Das Kommissariat nimmt seine Tätigkeit auf, sobald seine Mitglieder ernannt sind.

Artikel 20. § 1 Das Kommissariat besteht aus neun Mitgliedern. Sie werden für sechs Jahre ernannt und auf Grund ihrer allgemeinen Befähigung ausgewählt.

Nur Staatsangehörige der Mitgliedstaaten können Mitglieder des Kommissariats werden. Ihm dürfen nicht mehr als zwei Mitglieder derselben Staatsangehörigkeit angehören.

Ausscheidende Mitglieder können wiederernannt werden.

Die Zahl der Mitglieder des Kommissariats kann durch einstimmige Entscheidung des Rates herabgesetzt werden.

§ 2 Die Mitglieder des Kommissariats dürfen bei der Erfüllung ihrer Pflichten weder Anweisungen von einer Regierung einholen, noch solche Anweisungen entgegennehmen. Sie haben jede Handlung zu unterlassen, die mit dem überstaatlichen Charakter ihrer Tätigkeit unvereinbar ist.

Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich, diesen überstaatlichen Charakter zu achten und nicht zu versuchen, die Mitglieder des Kommissariats bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.

Die Mitglieder des Kommissariats dürfen während ihrer Amtszeit keine weitere berufliche Tätigkeit ausüben.

Innerhalb von drei Jahren nach Amtsbeendigung darf kein ehemaliges Mitglied des Kommissariats eine berufliche Tätigkeit ausüben, die wegen ihres engen Zusammenhangs mit dieser Amtstätigkeit nach dem Urteil des von ihm oder vom Rat angerufenen Gerichtshofes unvereinbar mit den sich hieraus ergebenden Verpflichtungen ist. Bei Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift kann der Gerichtshof dem Betroffenen seine Ruhegehaltsansprüche aberkennen.

Artikel 21. § 1 Die Mitglieder des Kommissariats werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten gemeinsam ernannt.

§ 2 Die nach Inkrafttreten dieses Vertrages zum ersten Mal ernannten Mitglieder bleiben von ihrer Ernennung an drei Jahre lang im Amt.

Wird während dieses ersten Zeitabschnitts aus einem der in Artikel 22 vorgesehenen Gründe ein Sitz frei, so wird er nach Maßgabe des § 1 neu besetzt.

Wird im Fall der Anwendung des Artikels 36 § 2 eine allgemeine Neubesetzung erforderlich, so wird das gleiche Verfahren angewandt.

§ 3 Nach Ablauf der dreijährigen Anlaufzeit findet eine allgemeine Neubesetzung statt.

§ 4 In der Folgezeit wird alle zwei Jahre ein Drittel der Mitglieder des Kommissariats neu bestellt.

Sofort nach der in § 3 vorgesehenen allgemeinen Neubesetzung bestimmt der Rat durch das Los diejenigen Mitglieder, deren Mandat mit Beendigung der ersten und der zweiten Zweijahresperiode erlischt.

§ 5 Falls die Mitglieder des Kommissariats nach Artikel 36 § 2 von ihren Ämtern zurücktreten, finden die Vorschriften der §§ 3 und 4 dieses Artikels Anwendung.

Artikel 22. Abgesehen von den regelmäßigen Neubesetzungen endet das Amt eines Mitglieds des Kommissariats durch Tod, freiwilligen Rücktritt oder Amtsenthebung.

Das ausscheidende Mitglied wird für den Rest seiner Amtszeit nach Artikel 21 ersetzt. Eine Ersetzung findet nicht statt, wenn die verbleibende Amtszeit weniger als drei Monate beträgt.

Artikel 23. Jedes Mitglied des Kommissariats, das die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat, kann auf Antrag des Rates oder des Kommissariats durch den Gerichtshof seines Amtes enthoben werden.

In einem solchen Fall kann der Rat durch einstimmigen Beschluß dieses Mitglied seines Amtes vorläufig entheben und für seinen Ersatz sorgen, bis eine Entscheidung des Gerichtshofes vorliegt.

Artikel 24. § 1 Die Beschlüsse des Kommissariats werden mit Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten. Doch kommt kein Beschluß zustande, wenn nicht mindestens vier Stimmen für ihn angegeben sind.

§ 2 Die Geschäftsordnung legt die Beschlußfähigkeit fest. Diese kann erst bei einer Anwesenheit von fünf Mitgliedern eintreten.

§ 3 Beschließt der Rat gemäß Artikel 20 § 1, die Zahl der Mitglieder des Kommissariates herabzusetzen, so sorgt er unter denselben Bedingungen für die nötigen Angleichungen der in den beiden vorhergehenden Absätzen festgelegten Zahlen.

Artikel 25. § 1 Die Regierungen der Mitgliedstaaten ernennen gemeinsam den Präsidenten des Kommissariats aus der Mitte seiner Mitglieder.

Der Präsident wird für die Dauer von vier Jahren ernannt. Er kann wiedergewählt werden. Sein Amt endet in gleicher Weise wie das der Mitglieder des Kommissariates.

§ 2 Der Präsident ist von jeder Auslosung ausgeschlossen, die zum Verlust seiner Mitgliedschaft im Kommissariat und dadurch zu seiner Verkürzung der Dauer seines Präsidentenamtes führen könnte.

Wird der Präsident aus der Mitte der bereits amtierenden Mitglieder des Kommissariats gewählt, so verlängert sich seine Amtszeit als Mitglied des Kommissariats bis zum Ablauf seines Präsidentenamtes.

§ 3 Außer im Falle einer allgemeinen Neubesetzung erfolgt die Ernennung nach Anhörung der Mitglieder des Kommissariats.

Artikel 25a. Das Amt des ersten Präsidenten endet nach Ablauf von drei Jahren.

Artikel 26. § 1 Das Kommissariat erläßt eine allgemeine Organisationsordnung. Diese bestimmt insbesondere:
a) welche Arten von Entscheidungen entsprechend dem Kollegialitätsgrundsatz vom Kommissariat gemeinsam zu treffen sind und welche Arten den Mitgliedern des Kommissariats zur Einzelentschedung im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit übertragen werden können;
b) wie die Aufgaben des Kommissariats derart zu verteilen sind, daß der Notwendigkeit eines dauerhaften Aufbaus Rechung getragen wird, zugleich aber die Möglichkeit offen bleibt, die aus der praktischen Erfahrung sich als notwendig ergebenden Anpassungen vorzunehmen; diese Verteilung braucht nicht der Mitgliederzahl des Kommissariats zu entsprechen.

§ 2 Im Rahmen dieser Organisationsordnung werden Kommissariat und Präsident wie folgt tätig:
a) Das Kommissariat bestimmt die Befugnisse seiner Mitglieder;
b) der Präsident
- stimmt die Ausübung dieser Befugnisse untereinander ab,
- sorgt für die Durchführung der Beschlüsse,
- nimmt die Verwaltung der Dienststellen wahr.

Nach Maßgabe des Artikels 123 können dem Präsidenten vorübergehende Sonderbefugnisse übertragen werden.

Artikel 27. Zur Ausübung seiner Befugnisse erläßt das Kommissariat Entscheidungen, spricht Empfehlungen aus und gibt Stellungnahmen ab.

Die Entscheidungen sind in allen ihren Teilen verbindlich.

Die Empfehlungen sind hinsichtlich der von ihnen bestimmten Ziele verbindlich, lassen jedoch denen, an die sie gerichtet sind, die Wahl der für die Erreichung dieser Ziele geeigneten Mittel.

Die Stellungnahmen sind nicht verbindlich.

Ist das Kommissariat befugt, eine Entscheidung zu erlassen, so kann es sich darauf beschränken, eine Empfehlung auszusprechen.

Artikel 28. Alle Entscheidungen und Empfehlungen sowie alle Stellungnahme des Kommissariats werden in der vom Rat beschlossenen Art und Weise veröffentlicht oder zugestellt.

Die für die Regierung eines Mitgliedstaates bestimmten Entscheidungen, Empfehlungen oder Stellungnahmen des Kommissariats sind an die von diesem Staat hierfür bestimmte Behörde zu richten.

Artikel 29. Das Kommissariat erstattet dem Rat regelmäßig Bericht. Es erteilt dem Rat die von ihm angeforderten Auskünfte und nimmt die Untersuchungen vor, mit denen es von ihm beauftragt wird. Kommissariat und Rat unterrichten und beraten einandern.

Artikel 30. Das Kommissariat verfügt über das erforderliche Zivil- und Militärpersonal zur Durchführung aller ihm durch diesen Vertrag übertragenen Aufgaben. Die zivilen und militärischen Dienststellen, die es hierfür einrichtet, sind einander gleichgeordnet.

Artikel 31. § 1 Die Dienstgrade oberhalb des Kommandeurs einer nationalgeschlossenen Grundeinheit werden durch Entscheidung des Kommissariats mit einstimmiger Zustimmung des Rates verliehen.

§ 2 Vorläufig werden die Dienstgrade in den national-geschlossenen Einheiten der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte nach der Wahl der einzelnen Mitgliedstaaten:
- entweder auf Vorschlag des Kommissariats von den zuständigen nationalen Behörden,
- oder auf Vorschlag der vorgesetzten Dienststellen nach Anhörung nationaler Behörden vom Kommissariat verliehen.

§ 3 a) Die Dienststellen des Kommandeures einer Grundeinheit, eines Generales, der Befehlsgewalt über alle Verbände verschiedener Staatsangehörigkeit hat, sowie vom Rat bestimmte hohe Stellen im Kommissariat werden vom Kommissariat mit einstimmiger Zustimmung des Rates verliehen.
b) Alle anderen militärischen Dienststellen werden durch Entscheidung des Kommissariats besetzt; er berücksichtigt die Vorschläge der vorgesetzten Dienststellen.

§ 4 Von den zivilen Dienststellungen werden die dem Kommissariat unmittelbar verantwortlichen Dienststellenleiter vom Kommissariat mit einstimmiger Zustimmung des Rates ernannt.

Artikel 32. Das Kommissariat stellt alle zweckdienlichen Verbindungen zu den Mitgliedstaaten, dritten Staaten und allgemein zu allen internationalen Organisationen her, deren Mitwirkung sich zur Erreichung der Ziele dieses Vertrages als notwendig erweisen sollte.

Kapitel II. Die Versammlung

Artikel 33. § 1 Die Versammlung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft ist die in Artikel 20 und 21 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 vorgesehene Versammlung; sie wird durch je drei Abgeordnete der Bundesrepublik Deutschland, Frankreichs und Italiens ergänzt; diese werden in der gleichen Weise und für die gleiche Dauer wie die anderen Abgeordneten gewählt, und ihre erste Amtszeit endet zur gleichen Zeit wie die der anderen Abgeordneten.

Die so ergänzte Versammlung übt die Befugnisse aus, die dieser Vertrag überträgt. Sie kann, falls sie es für erforderlich hält, ihren Präsidenten und ihr Büro wählen und sich eine Geschäftsordnung

§ 2 Gelangt die im Artikel 38 § 2 bezeichnete Konferenz innerhalb eines Jahres nach ihrer Einberufung zu keinem Übereinkommen, so werden die Vorschriften des § 1 noch vor Beendigung der Arbeiten der Versammlung von den Mitgliedstaaten gemeinsam geprüft.

Artikel 34. Die Versammlung hält jährlich eine Sitzungsperiode ab. Sie tritt, ohne daß es einer Einberufung bedarf, am letzten Dienstag des Monats Oktober zusammen. Die Dauer der Sitzungsperiode darf einen Monat nicht überschreiten.

Die Versammlung kann auf Antrag des Kommissariats, des Rates, des Präsidenten der Versammlung oder der Mehrheit ihrer Mitglieder oder in dem in Artikel 46 bezeichneten Falle auf Antrag eines Mitgliedstaates zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen werden.

Artikel 34a. Die Versammlung tritt einen Monat nach dem Beginn der Tätigkeit des Kommissariats auf dessen Einberufung hin zusammen. Die Vorschriften des Artikels 34 über die Dauer der ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung finden auf die erste Sitzungsperiode keine Anwendung.

Die Versammlung kann von ihrem Zusammentritt an die ihr durch diesen Vertrag übertragenen Befugnisse ausüben, mit Ausnahme des in Artikel 36 § 2 vorgesehenen Mißtrauensvotums, das nicht vor Ablauf eines Jahres nach Beginn der Tätigkeit des Kommissariats erfolgen kann.

Artikel 35. Die Mitglieder des Kommissariats können an allen Sitzungen der Versammlung teilnehmen. Der Präsident oder die vom Kommissariat aus seiner Mitte bestimmten Mitglieder sind auf ihren Antrag zu hören. Das Kommissariat antwortet mündlich oder schriftlich auf die ihm von der Versammlung oder deren Mitgliedern gestellten Fragen.

Die Mitglieder des Rates können ebenfalls an allen Sitzungen teilnehmen und sind auf ihren Antrag zu hören.

Artikel 36. § 1 Das Kommissariat legt der Versammlung jedes Jahr einen Monat vor Beginn der ordentlichen Sitzung einen Gesamtbericht über seine Tätigkeit vor. Die Versammlung erörtert diesen Bericht; die kann hierzu Stellung nehmen und Wünsche und Anregungen aussprechen.

§ 2 Wird auf Grund der Amtsführung des Kommissariats ein Mißtrauensantrag eingebracht, so darf die Versammlung über diesen Antrag nicht vor Ablauf von mindestens drei Tagen nach seiner Einbringung und nur in offener Abstimmung entscheiden.

Wird der Mißtrauensantrag mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen und mit der Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder der Versammlung angenommen, so müssen die Mitglieder des Kommissariats geschlossen zurücktreten. Sie führen die laufenden Geschäfte bis zu ihrer Ablösung gemäß Artikel 21 weiter.

Artikel 37. Die Geschäftsordnung der Versammlung wird mit Stimmenmehrheit ihrer Mitglieder aufgestellt.

Die Verhandlungen der Versammlungen werden in der von ihr bestimmten Weise veröffentlicht.

Artikel 38. § 1 Innerhalb der im letzten Absatz dieses Artikels vorgesehenen Fristen untersucht die Versammlung:
a) die Bildung einer Versammlung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft durch Wahl auf demokratischer Grundlage;
b) die Befugnisse, die einer solchen Versammlung zu übertragen wären; FJÿ c) die Änderungen, die gegebenenfalls an den Vorschriften dieses Vertrages über die übrigen Organe der Gemeinschaft vorgenommen werden müßten, insbesondere, um eine angemessene Vertretung der Staaten sicherzustellen.

Bei ihren Untersuchungen hat sich die Versammlung insbesondere von nachstehenden Grundsätzen leiten zu lassen:

Die endgültige Organisation, die an die Stelle der vorläufigen Organisation treten wird, soll so beschaffen sein, daß sie den Bestandteil eines späteren bundesstaatlichen oder staatenbündischen Gemeinwesens bilden kann, das auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung beruhen und insbesondere über ein Zweikammernsystem verfügen soll.

Die Versammlung hat ferner die Fragen zu prüfen, die sich aus dem Nebeneinander verschiedener, bereits vorhandener oder zu schaffender Organisationen für europäische Zusammenarbeit ergeben, um deren Zusammenfassung im Rahmen des bundesstaatlichen oder staatenbündischen Aufbaus sicherzustellen.

§ 2 Die Vorschläge der Versammlung sind dem Rat binnen sechs Monaten nach Aufnahme ihrer Tätigkeit vorzulegen. Diese Vorschläge sind sodann mit der Stellungnahme des Rates vom Präsidenten der Versammlung den Regierungen der Mitgliedstaaten zuzuleiten; diese haben binnen drei Monaten eine Konferenz zur Prüfung der Vorschläge einzubringen.

Kapitel III. Der Rat

Artikel 39. § 1 Der Rat hat die allgemeine Aufgabe, die Tätigkeit des Kommissariats und die Politik der Regierungen der Mitgliedstaaten miteinander in Einklang zu bringen.

§ 2 Der Rat kann im Rahmen dieses Vertrages Richtlinien für die Tätigkeit des Kommissariats erlassen.

Diese Richtlinien werden einstimmig beschlossen.

In allen Fragen, für die der Rat keine Richtlinien erteilt hat, kann das Kommissariat zur Verwirklichung der im Vertrag festgelegten Ziele nach Maßgabe dieses Vertrages tätig werden.

§ 3 Gemäß den Vorschriften dieses Vertrages
a) erläßt der Rat Entscheidungen,
b) erteilt der Rat Zustimmungen, die das Kommissariat einholen muß, bevor es Entscheidungen erläßt oder Empfehlungen ausspricht.

§ 4 Sofern dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, hat der Rat mit einfacher Mehrheit seine Entscheidungen zu treffen und seine Stellungnahmen abzugeben.

§ 5 Bei Anhörung des Rates durch das Kommissariat berät der Rat, ohne notwendigerweise eine Abstimmung vorzunehmen. Die Beratungsniederschriften werden dem Kommissariat übermittelt.

Artikel 40. Der Rat besteht aus den Vertretern der Mitgliedstaaten.

Jeder Staat entsendet ein Mitglied seiner Regierung; dieses kann sich durch einen Stellvertreter vertreten lassen.

Der Rat ist so einzurichten, daß er jederzeit tätig werden kann. Zu diesem Zweck muß jeder Mitgliedstaat ständig einen Vertreter haben, der in der Lage ist, unverzüglich an den Beratungen des Rates teilzunehmen.

Die Präsidentschaft wird von den Mitgliedern des Rates nacheinander in alphabetischer Reihenfolge der Mitgliedstaaten für je drei Monate wahrgenommen.

Artikel 41. Der Rat tritt so oft wie nötig, mindestens aber alle drei Monate zusammen. Er wird durch seinen Präsidenten entweder aus eigenem Entschluß oder auf Antrag eines seiner Mitglieder oder des Kommissariats einberufen.

Artikel 41a. Der Rat tritt sofort nach Inkrafttreten des Vertrages zusammen.

Artikel 42. Bei Abstimmungen kann jedes Mitglied des Rates von einem einzigen der anderen Mitglieder zur Ausübung dessen Stimmrechts ermächtigt werden.

Artikel 43. § 1 Soweit dieser Vertrag eine mit einfacher Mehrheit zu beschließende Zustimmung oder Entscheidung des Rates vorsieht, so ist diese Zustimmung zustandegekommen, wenn ihr zustimmen:
- die absolute Mehrheit der Vertreter der Mitgliedstaaten,
- bei Stimmengleichheit die Vertreter derjenigen Mitgliedstaaten, die der Gemeinschaft zusammen mindestens zwei Drittel der gesamten Beiträge der Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen.

§ 2 Soweit dieser Vertrag eine mit qualifizierter Mehrheit zu beschließende Zustimmung oder Entscheidung des Rates vorsieht, so ist diese Zustimmung oder Entscheidung zustandegekommen:
- mit der entsprechend bezeichneten Mehrheit, wenn in ihr die Stimmen der Vertreter derjenigen Mitgliedstaaten enthalten sind, die der Gemeinschaft zusammen mindestens zwei Drittel der gesamten Beiträge der Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen;
- wenn die Vertreter von fünf Mitgliedstaaten für sie stimmen.

§ 3 Soweit dieser Vertrag eine einstimmige Zustimmung oder Entscheidung des Rates vorsieht, sind hierzu die Stimmen aller im Rat anwesenden oder vertretenen Mitgliedstaaten erforderlich; Stimmenthaltungen stehen der Zustimmung oder der Entscheidung nicht entgegen.

§ 4 In §§ 1 und 2 dieses Artikels ist unter dem Wort "Beiträge" der Mittelwert zwischen dem prozentualen Anteil an den während des vorangehenden Haushaltsjahres tatsächlich geleisteten finanziellen Beiträgen und dem prozentualen Anteil an den Stärken der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte am ersten Tage des laufenden Haushaltsjahres zu verstehen.

Artikel 43a. § 1 Bis zu dem Zeitpunkt, der für die Durchführung des Planes zur Aufstellung der ersten Welle der Streitkräfte festgesetzt ist, wird der in Artikel 43 § 4 genannten Mittelwert der von den Mitgliedstaaten zu leistenden Beiträge abgerundet in folgender Weise festsetzt:
Deutschland 3
Belgien 2
Frankreich 3
Italien 3
Luxemburg 1
Niederlande 2

§ 2 Während der in vorstehendem Paragraphen bezeichneten Übergangszeit gilt der Betrag der in Artikel 43 § 1 für die Mehrheit geforderten Beiträge als erreicht, wenn er mindestens 9/14 des Gesamtwertes der obigen abgerundeten Beiträge der Mitgliedstaaten erreicht.

Artikel 44. Änderungen der Vorschriften über die Rechtsstellung des Personals und der Vorschriften über die allgemeine Organisation, die personelle Ergänzung, die Stärken und die Stämme der Streitkräfte sowie Änderungen des Planes für die Aufstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte werden vom Rat auf Vorschlag eines seiner Mitglieder oder des Kommissariats einstimmig beschlossen und von letzterem in Kraft gesetzt.

Artikel 45. Der Rat setzt die Gehälter, Vergütungen und Ruhegehälter für den Präsidenten und die Mitglieder des Kommissariats fest.

Artikel 46. Auf Antrag eines seiner Mitglieder kann der Rat mit Zweidrittel-Mehrheit das Kommissariat zur Vornahme jeder Maßnahme im Bereich seiner Zuständigkeit auffordern.

Kommt das Kommissariat dieser Aufforderung nicht nach, so kann der Rat oder ein Mitgliedstaat zwecks Anwendung des Artikels 36 § 2 die Versammlung anrufen.

Artikel 47. § 1 Der Rat entscheidet darüber, ob eine gemeinsame Sitzung des Nordatlantikpaktrates und des Rates der Gemeinschaft beantragt werden soll.

§ 2 Beschlüsse, die bei den gemeinsamen Sitzungen der beiden Räte einstimmig gefaßt werden, sind für die Organe der Gemeinschaft bindend.

Artikel 48. Der in § 4 des Protokolls über die Beziehungen zwischen der Nordatlantikpakt-Organisation und der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vorgesehene Beschluß wird einstimmig gefaßt.

Artikel 49. Die Beratungsniederschriften des Rates werden den Mitgliedstaaten und dem Kommissariat übermittelt.

Artikel 50. Der Rat gibt sich eine Geschäftsordnung.

Kapitel IV. Der Gerichtshof

Artikel 51. Der Gerichtshof sichert die Wahrung des Rechtes bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages und der Durchführungsbestimmungen.

Artikel 52. Der Gerichtshof ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.

Artikel 53. Der Gerichtshof wird bei der Erfüllung seiner Aufgabe nach Maßgabe des Justizprotokolles und der in Artikel 67 vorgesehenen Gerichtsordnung von einer Gerichtsorganisation unterstützt; diese umfaßt insbesondere untere Gerichte europäischen Charakters.

Artikel 54. § 1 Der Gerichtshof ist zur Entscheidung über Nichtigkeitsklagen zuständig, mit denen ein Mitgliedstaat, der Rat oder die Versammlung Entscheidungen oder Empfehlungen des Kommissariats anficht; die Klagen können auf Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrages oder irgendeiner bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder auf Ermessensmißbrauch gestützt werden.

§ 2 Die Klagen sind binnen eines Monats nach Veröffentlichung oder Zustellung der Entscheidung oder Empfehlung zu erheben.

§ 3 Im Fall der Aufhebung verweist der Gerichtshof die Sache an das Kommissariat zurück. Dieses hat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus der aufhebenden Entscheidung ergeben.

Artikel 55. § 1 Ist das Kommissariat auf Grund einer Vorschrift dieses Vertrages oder der Durchführungsvorschriften verpflichtet, eine Entscheidung zu erlassen oder eine Empfehlung auszusprechen, und kommt es dieser Verpflichtung nicht nach, so können die Mitgliedstaaten oder der Rat das Kommissariat mit der Angelegenheit befassen.

Das gleiche gilt, falls das Kommissariat auf Grund einer Vorschrift dieses Vertrages oder der Durchführungsvorschriften befugt ist, eine Entscheidung zu erlassen oder eine Empfehlung auszusprechen, dies aber unterläßt, und wenn diese Unterlassung einen Ermessensmißbrauch darstellt.

§ 2 Hat das Kommissariat binnen zwei Monaten keine Entscheidung erlassen oder keine Empfehlung ausgesprochen, so gilt das Schweigen als Ablehnung; gegen die hierin liegende Entscheidung kann binnen eines weiteren Monats der Gerichtshof angerufen werden.

Artikel 56. § 1 Ist ein Mitgliedstaat der Ansicht, daß eine Handlung oder Unterlassung des Kommissariates in einem bestimmten Falle geeignet ist, bei ihm tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorzurufen, so kann er das Kommissariat damit befassen.

Dieses stellt, falls hierzu Anlaß besteht, nach Anhörung des Rates das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes fest und entscheidet über die im Rahmen dieses Vertrages zu treffenden Maßnahmen, um diesem Sachverhalt unter Wahrung der wesentlichen Belange der Gemeinschaft ein Ende zu machen. Das Kommissariat hat hierüber binnen zwei Wochen zu entscheiden.

§ 2 Wird gegen diese Entscheidung oder gegen eine Entscheidung, die ausdrücklich oder stillschweigend das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes verneint, auf Grund dieses Artikels Klage erhoben, so hat der Gerichtshof ein uneingeschränktes Nachprüfungsrecht sowie das Recht, einstweilig alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

§ 3 Im Falle der Aufhebung hat das Kommissariat im Rahmen des vom Gerichtshof gefällten Urteils Maßnahmen zu den in § 1 Absatz 2 vorgesehenen Zwecken zu treffen.

Artikel 57. § 1 Der Gerichtshof ist zur Entscheidung über Nichtigkeitsklagen zuständig, mit denen ein Mitgliedstaat, das Kommissariat oder die Versammlung Beschlüsse des Rates anficht; die Klagen können auf Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrages oder irgendeiner bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder auf Ermessensmißbrauch gestützt werden.

§ 2 Die Klage ist binnen einem Monat nach Bekanntgabe des Beschlusses des Rates an die Mitgliedstaaten oder an das Kommissariat zu erheben.

Artikel 58. § 1 Auf Klage eines der Mitgliedstaaten oder des Kommissariates kann der Gerichtshof die Beschlüsse der Versammlung aufheben.

Diese Klage kann nur auf Unzuständigkeit oder Verletzung wesentlicher Formvorschriften gestützt werden.

§ 2 Die Klage ist binnen einem Monat nach Veröffentlichung des Beschlusses der Versammlung zu erheben.

Artikel 59. Die bei dem Gerichthof erhobenen Klagen haben keine aufschiebende Wirkung.

Der Gerichthof kann jedoch, wenn es die Umstände nach seiner Ansicht erfordern, die Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung oder Empfehlung aussetzen.

Er kann jede andere erforderliche einstweilige Anordnung treffen.

Artikel 60. Der Gerichtshof ist nach Maßgabe des Justizprotokolls und der in Artikel 67 vorgesehenen Gerichtsordnung für alle Streitigkeiten über die Haftung der Gemeinschaft und über die Rechtsstellung der in ihrem Dienst stehenden Personen zuständig.

Artikel 61. Der Gerichtshof ist nach Maßgabe des Justizprotokolls und der in Artikel 87 vorgesehenen Gerichtsordnung in Strafsachen zuständig.

Artikel 61a. Bis zum Inkrafttreten einer gemeinsamen Militärstrafgesetzgebung werden Übergangsbestimmungen im Justizprotokoll vorgesehen.

Artikel 62. Der Gerichthof ist ausschließlich zuständig zur Entscheidung über die Gültigkeit von Entscheidungen oder Empfehlungen des Kommissariats sowie von Beschlüssen des Rates, falls bei einem Streitfall von einem staatlichen Gericht diese Gültigkeit in Frage gestellt wird; er erkennt im Wege der Vorabentscheidung; die Vorschriften der in Artikel 67 vorgesehenen Gerichtsordnung bleiben unberührt.

Artikel 63. Der Gerichtshof ist nach Maßgabe seiner Satzung für Entscheidungen auf Grund einer Schiedsklausel zuständig, die in einem von der Gemeinschaft oder für ihre Rechnung abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privat-rechtlichen Vertrage enthalten ist.

Artikel 64. Der Gerichtshof ist zur Entscheidung in allen anderen Fällen zuständig, die in einer Zusatzbestimmung zu diesem Vertrag vorgesehen sind.

Er kann außerdem in allen mit dem Gegenstand dieses Vertrages in Zusammenhang stehenden Fällen entscheiden, wenn die Gesetze eines Mitgliedstaates ihn für zuständig erklären.

Artikel 65. § 1 Jeder Streit unter den Mitgliedstaaten über die Anwendung dieses Vertrages, der sich nicht auf anderem Wege beilegen läßt, kann auf Grund eines gemeinsamen Antrages der am Streite beteiligten Staaten oder auf Antrag eines von ihnen dem Gerichtshof vorgelegt werden.

§ 2 Der Gerichtshof ist ferner zuständig über jeden im Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Vertrages stehenden Streit unter Mitgliedstaaten zu entscheiden, wenn dieser Streit bei ihm auf Grund eines Schiedsvertrages anhängig gemacht wird.

Artikel 66. Die Entscheidungen des Gerichtshofes sind im Gebiet der Mitgliedstaaten vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten erfolgt nach dem in jedem dieser Staaten geltenden Verfahrensrecht; insbesondere kann die Vollstreckung gegenüber einem Mitgliedstaat nur insoweit erfolgen, als dies in den Vollstreckungsvorschriften dieses Staates vorgesehen ist.

Diese Vollstreckung erfolgt nach Erteilung der Vollstreckungsklausel gemäß den Bestimmungen des Staates, auf dessen Gebiet die Entscheidung vollstreckt werden soll; dabei ist lediglich die Echtheit der Urschrift der Entscheidungen nachzuprüfen. Die Erteilung dieser Vollstreckungsklausel erfolgt auf Veranlassung eines von jeder Regierung hierfür bestimmten Ministers.

Artikel 67. Die Ausführungen dieses Kapitels und des Justizprotokolls wird durch Abkommen der Mitgliedstaaten in einer Gerichtsordnung geregelt. Diese wird insbesondere die zur Anpassung notwendigen Änderungen der Satzung des Gerichtshofes, die dem Vertrag über die Gründung der Gemeinschaft für Kohle und Stahl beigefügt ist, enthalten.


Quelle: Bundesgesetzblatt Teil II 1954 S. 343ff.
© 29. Mai 2000 - 24. Januar 2003
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