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II - Protokolle

Protokoll über die Satzung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl

Der Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b des Abkommens über gemeinsame Organe für die europäischen Gemeinschaften vom 25. März 1957 bestimmt:
"Mit der Aufnahme der Tätigkeit des in Artikel 3 genannten einzigen Gerichtshofs
. . .
b) werden daher die Bestimmungen des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes im Anhang zum Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl aufgehoben, soweit sie den Artikeln 32 bis 32 c des genannten Vertrags entgegenstehen".

DIE HOHEN VERTRAGSCHLIESSENDEN TEILE,

IN DEM WUNSCHE, die in Artikel 45 des Vertrags vorgesehene Satzung festzulegen,

HABEN folgendes VEREINBART:

Artikel 1

Für die Errichtung und die Tätigkeit des durch Artikel 7 des Vertrags geschaffenen Gerichtshofes gelten die Bestimmungen des Vertrags und dieser Satzung.

TITEL I
DIE RICHTER UND DIE GENERALANWÄLTE

Artikel 2

Jeder Richter leistet vor Aufnahme seiner Amtstätigkeit in öffentlicher Sitzung den Eid, sein Amt unparteiisch und gewissenhaft auszuüben und das Beratungsgeheimnis zu wahren.

Artikel 3

Die Richter sind keiner Gerichtsbarkeit unterworfen. Hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen, einschließlich ihrer mündlichen und schriftlichen Äußerungen, steht ihnen diese Befreiung auch nach Abschluß ihrer Amtstätigkeit zu.

Der Gerichtshof kann die Befreiung durch Plenarentscheidung aufheben.

Wird nach Aufhebung der Befreiung ein Strafverfahren gegen einen Richter eingeleitet, so darf dieser in jedem Mitgliedstaat nur vor ein Gericht gestellt werden, das für Verfahren gegen Richter der höchsten Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig ist.

Die Artikel 12 bis 15 und 18 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften finden auf die Richter, die Generalanwälte, den Kanzler und die Hilfsberichterstatter des Gerichtshofs Anwendung; die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 betreffend die Befreiung der Richter von der Gerichtsbarkeit bleiben hiervon unberührt.

Artikel 4

Die Richter dürfen weder ein politisches Amt noch ein Amt in der Verwaltung ausüben.

Sie dürfen keine entgeltliche oder unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben, es sei denn, daß der Rat ausnahmsweise von dieser Vorschrift Befreiung erteilt.
Bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit übernehmen sie die feierliche Verpflichtung, während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfüllen, insbesondere die Pflicht, bei der Annahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein.

Im Zweifelsfalle entscheidet der Gerichtshof.

Artikel 5

Abgesehen von den regelmäßigen Neubesetzungen und von Todesfällen endet das Amt eines Richters durch Rücktritt.

Bei Rücktritt eines Richters ist das Rücktrittsschreiben an den Präsidenten des Gerichtshofes zur Weiterleitung an den Präsidenten des Rates zu richten. Mit der Benachrichtigung des letzteren wird der Sitz frei.

Mit Ausnahme der Fälle, in denen Artikel 6 Anwendung findet, bleibt jeder Richter bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers im Amt.

Artikel 6

Ein Richter kann nur dann seines Amtes enthoben oder seiner Ruhegehaltsansprüche oder anderer an ihrer Stelle gewährter Vergünstigungen für verlustig erklärt werden, wenn er nach einstimmigem Urteil der Richter und Generalanwälte des Gerichtshofes nicht mehr die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt oder den sich aus seinem Amt ergebenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. Der Betroffene wirkt bei der Beschlußfassung nicht mit.

Der Kanzler bringt den Präsidenten des Europäischen Parlaments und der Kommission die Entscheidung des Gerichtshofes zur Kenntnis und übermittelt sie dem Präsidenten des Rates.

Wird durch eine solche Entscheidung ein Richter seines Amtes enthoben, so wird sein Sitz mit der Benachrichtigung des Präsidenten des Rates frei.

Artikel 7

Endet das Amt eines Richters vor Ablauf seiner Amtszeit, so wird es für die verbleibende Amtszeit neu besetzt.

Artikel 8

Die Artikel 2 bis 7 finden auf die Generalanwälte Anwendung.

TITEL II
ORGANISATION

Artikel 9

Der Kanzler leistet vor dem Gerichtshof den Eid, sein Amt unparteiisch und gewissenhaft auszuüben und das Beratungsgeheimnis zu wahren.

Artikel 10

Der Gerichtshof regelt die Vertretung des Kanzlers für den Fall seiner Verhinderung.

Artikel 11

Dem Gerichtshof werden Beamte und sonstige Bedienstete beigegeben, um ihm die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen. Sie unterstehen dem Kanzler unter Aufsicht des Präsidenten.

Artikel 12

Der Rat kann durch einstimmigen Beschluß auf Vorschlag des Gerichtshofes die Ernennung von Hilfsberichterstattern vorsehen und ihre Stellung bestimmen. Die Hilfsberichterstatter können nach Maßgabe der Verfahrensordnung berufen werden, an der Bearbeitung der beim Gerichtshof anhängigen Sachen teilzunehmen und mit dem Berichterstatter zusammenzuarbeiten.

Zu Hilfsberichterstattern sind Persönlichkeiten auszuwählen, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und die erforderlichen juristischen Befähigungsnachweise erbringen; sie werden vom Rat ernannt. Sie leisten vor dem Gerichtshof den Eid, ihr Amt unparteiisch und gewissenhaft auszuüben und das Beratungsgeheimnis zu wahren.

Artikel 13

Die Richter, die Generalanwälte und der Kanzler sind verpflichtet, am Sitz des Gerichtshofes zu wohnen.

Artikel 14

Der Gerichtshof übt seine Tätigkeit ständig aus. Die Dauer der Gerichtsferien wird vom Gerichtshof unter Berücksichtigung der dienstlichen Erfordernisse festgesetzt.

Artikel 15

Der Gerichtshof kann nur in der Besetzung mit einer ungeraden Zahl von Richtern rechtswirksam entscheiden. Die in Vollsitzungen getroffenen Entscheidungen des Gerichtshofes sind gültig, wenn neun Richter anwesend sind. Die Entscheidungen der Kammern mit drei oder fünf Richtern sind nur dann gültig, wenn sie von drei Richtern getroffen werden. Die Entscheidungen der Kammern mit sieben Richtern sind nur dann gültig, wenn sie von fünf Richtern getroffen werden. Bei Verhinderung eines Richters einer Kammer kann nach Maßgabe der Verfahrensordnung ein Richter einer anderen Kammer herangezogen werden.

Artikel 16

Die Richter und Generalanwälte dürfen nicht an der Erledigung einer Sache teilnehmen, in der sie vorher als Bevollmächtigte, Beistände oder Anwälte einer der Parteien tätig gewesen sind oder über die zu befinden sie als Mitglied eines Gerichtes, eines Untersuchungsausschusses oder in anderer Eigenschaft berufen waren.

Glaubt ein Richter oder Generalanwalt, bei der Entscheidung oder Untersuchung einer bestimmten Sache aus einem besonderen Grund nicht mitwirken zu können, so macht er davon dem Präsidenten Mitteilung. Hält der Präsident die Teilnahme eines Richters oder Generalanwalts an der Verhandlung oder Entscheidung einer bestimmten Sache aus einem besonderen Grund für unangebracht, so setzt er diesen hiervon in Kenntnis.

Ergibt sich bei der Anwendung dieses Artikels eine Schwierigkeit, so entscheidet der Gerichtshof.

Eine Partei kann den Antrag auf Änderung der Zusammensetzung des Gerichtshofes oder einer seiner Kammern weder mit der Staatsangehörigkeit eines Richters noch damit begründen, daß dem Gerichtshof oder einer seiner Kammern kein Richter ihrer Staatsangehörigkeit angehört.

Artikel 17

aufgehoben

Artikel 18

aufgehoben

Artikel 19

aufgehoben

TITEL III
VERFAHREN

Vertretung und Beistand der Parteien

Artikel 20

Die Staaten sowie die Organe der Gemeinschaft werden vor dem Gerichtshof durch Bevollmächtigte vertreten, die für jede Streitsache ernannt werden; der Bevollmächtigte kann sich des Beistands eines Anwalts bedienen, der zur Anwaltschaft in einem Mitgliedstaat zugelassen ist.

Die Unternehmen und alle anderen natürlichen und juristischen Personen müssen sich des Beistands eines Anwalts bedienen, der zur Anwaltschaft in einem Mitgliedstaat zugelassen ist.

Die vor dem Gerichtshof auftretenden Bevollmächtigten und Anwälte genießen die zur unabhängigen Ausübung ihrer Aufgaben erforderlichen Rechte und Garantien nach Maßgabe einer Ordnung, die vom Gerichtshof erlassen wird und der einstimmigen Zustimmung des Rates bedarf.

Der Gerichtshof hat nach näherer Bestimmung dieser Ordnung gegenüber den vor ihm auftretenden Anwälten alle den Gerichten üblicherweise zuerkannten Befugnisse.

Universitätsprofessoren, die Angehörige von Mitgliedstaaten sind, deren Gesetze ihnen ein Recht zu plädieren geben, genießen beim Gerichtshof die den Anwälten in diesem Artikel zuerkannten Befugnisse.

Verfahrensabschnitte

Artikel 21

Das Verfahren vor dem Gerichtshof gliedert sich in zwei Teile: ein schriftliches Verfahren und ein mündliches.

Das schriftliche Verfahren umfaßt die Übermittlung der Klageschriften, Schriftsätze, Klagebeantwortungen und Einwendungen und gegebenenfalls der Repliken sowie aller zur Unterstützung vorgelegten Belegstücke und Urkunden oder ihrer beglaubigten Abschriften an die Parteien und die Organe der Gemeinschaft, deren Entscheidungen Gegenstand des Verfahrens sind.

Die Übermittlung erfolgt durch den Kanzler in der Ordnung und innerhalb der Fristen, welche die Verfahrensordnung bestimmt.

Das mündliche Verfahren umfaßt die Verlesung des von einem Berichterstatter vorgelegten Berichtes sowie die Anhörung der Zeugen, Sachverständigen, Bevollmächtigten und Anwälte und der Schlußanträge des Generalanwalts durch den Gerichtshof.

Klageschrift

Artikel 22

Die Klageerhebung bei dem Gerichtshof erfolgt durch Einreichung einer Klageschrift bei dem Kanzler. Die Klageschrift muß den Namen und Wohnsitz der Partei und die Eigenschaft des Unterzeichnenden, den Streitgegenstand, die Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe angeben.

Ihr ist gegebenenfalls die Entscheidung beizufügen, deren Aufhebung beantragt wird, oder im Falle einer Untätigkeitsklage eine Unterlage, aus der sich der Zeitpunkt ergibt, zu dem der Antrag auf eine Entscheidung gestellt wurde. Sind diese Unterlagen der Klageschrift nicht beigefügt, so fordert der Kanzler den Kläger auf, diese innerhalb einer angemessenen Frist beizubringen; die Klage kann nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil die Beibringung erst nach Ablauf der Frist für die Klageerhebung erfolgt.

Übersendung der Vorgänge

Artikel 23

Wird die Entscheidung eines Organs der Gemeinschaft mit einer Klage angefochten, so hat dieses Organ dem Gerichtshof alle Vorgänge zu der bei dem Gerichtshof anhängig gemachten Streitsache zu übersenden.

Untersuchungsmaßnahmen

Artikel 24

Der Gerichtshof kann von den Parteien, ihren Vertretern oder Bevollmächtigten sowie von den Regierungen der Mitgliedstaaten die Vorlage aller Urkunden und die Erteilung aller Auskünfte verlangen, die er für wünschenswert hält. Im Falle einer Weigerung stellt der Gerichtshof dies ausdrücklich fest.

Artikel 25

Der Gerichtshof kann jederzeit Personen, Körperschaften, Dienststellen, Ausschüsse oder Organe nach seiner Wahl mit der Vornahme von Untersuchungen oder der Abgabe eines Gutachtens betrauen; zu diesem Zweck kann er eine Liste der als Sachverständige zugelassenen Personen oder Organisationen aufstellen.

Öffentlichkeit der Verhandlung

Artikel 26

Die Verhandlung ist öffentlich, es sei denn, daß der Gerichtshof aus wichtigem Grund etwas anderes beschließt.

Protokoll

Artikel 27

Über jede mündliche Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen, das von dem Vorsitzenden und dem Kanzler zu unterzeichnen ist.

Verhandlung

Artikel 28

Die Terminliste wird durch den Vorsitzenden festgelegt.

Zeugen können nach Maßgabe der Verfahrensordnung vernommen werden. Sie können eidlich vernommen werden.

Ebenso kann der Gerichtshof während der Verhandlung die Sachverständigen und die mit einer Untersuchung beauftragten Personen sowie die Parteien selbst vernehmen; jedoch können für die letzteren nur ihre bevollmächtigten Vertreter oder ihre Anwälte plädieren.

Wird festgestellt, daß ein Zeuge oder Sachverständiger Tatsachen, über die er ausgesagt hat oder vom Gerichtshof befragt worden ist, verschwiegen oder falsch dargestellt hat, so ist der Gerichtshof berechtigt, sich wegen dieser Verfehlung an den Justizminister des Staates zu wenden, dem der Zeuge oder Sachverständige angehört, damit die von den nationalen Gesetzen angedrohten Strafen verhängt werden.

Dem Gerichtshof stehen gegenüber ausbleibenden Zeugen die den Gerichten allgemein zuerkannten Befugnisse nach Maßgabe einer Vorschrift zu, die vom Gerichtshof erlassen wird und der einstimmigen Zustimmung des Rates bedarf.

Beratungsgeheimnis

Artikel 29

Die Beratungen des Gerichtshofes sind und bleiben geheim.

Urteile

Artikel 30

Die Urteile sind mit Gründen zu versehen und haben die Namen der mitwirkenden Richter zu enthalten.

Artikel 31

Die Urteile werden von dem Vorsitzenden, dem Berichterstatter und dem Kanzler unterzeichnet. Sie werden in öffentlicher Sitzung verlesen.

Kosten

Artikel 32

Der Gerichtshof entscheidet über die Kosten.

Vorläufige Entscheidungen

Artikel 33

Der Präsident des Gerichtshofes kann in einem in der Verfahrensordnung geregelten abgekürzten Verfahren, das erforderlichenfalls von einzelnen Bestimmungen dieser Satzung abweichen kann, vorläufige Entscheidungen treffen; diese können auf Anträgen beruhen, mit denen ein Vollzugsaufschub nach Artikel 39 Absatz 2 des Vertrags, der Erlaß einstweiliger Anordnungen nach Absatz 3 desselben Artikels oder die Aussetzung der Zwangsvollstreckung nach Artikel 92 Absatz 3 begehrt wird.

Bei Verhinderung des Präsidenten wird dieser durch einen anderen Richter nach Maßgabe der in Artikel 18 dieser Satzung vorgesehenen Geschäftsordnung vertreten.

Die von dem Präsidenten oder seinem Vertreter erlassene Entscheidung stellt nur eine einstweilige Regelung dar und greift der Entscheidung des Gerichtshofes in der Hauptsache in keiner Weise vor.

Intervention

Artikel 34

Natürliche und juristische Personen, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines bei dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits haben, können sich am Streit beteiligen.

Mit den Anträgen der Beitrittserklärung können nur die Anträge einer Partei unterstützt oder deren Abweisung verlangt werden.

Versäumnisurteil

Artikel 35

Stellt bei einer Klage im Verfahren mit unbeschränkter Ermessensnachprüfung der ordnungsmäßig geladene Beklagte keine schriftlichen Anträge, so ergeht gegen ihn Versäumnisurteil. Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach der Zustellung Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch hat keine Aussetzung der Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil zur Folge, es sei denn, daß der Gerichtshof etwas anderes beschließt.

Drittwiderspruch

Artikel 36

Natürliche und juristische Personen sowie die Organe der Gemeinschaft können in den von der Verfahrensordnung bestimmten Fällen und unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen Einspruch gegen die erlassenen Urteile erheben, auch wenn sie nicht am Streit beteiligt waren.

Auslegung

Artikel 37

Entsteht ein Streit über Sinn und Tragweite eines Urteils, so hat der Gerichtshof auf Antrag einer Partei oder eines Organs der Gemeinschaft, die hieran ein rechtliches Interesse haben, das Urteil auszulegen.

Wiederaufnahme des Verfahrens

Artikel 38

Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann beim Gerichtshof nur beantragt werden aufgrund der Ermittlung einer Tatsache, die geeignet ist, einen entscheidenden Einfluß auszuüben, und die vor Verkündung des Urteils dem Gerichtshof und der die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragenden Partei unbekannt war.

Das Wiederaufnahmeverfahren wird durch eine Entscheidung des Gerichtshofes eröffnet, die das Vorhandensein der neuen Tatsache ausdrücklich feststellt, ihr die für die Eröffnung des Wiederaufnahmeverfahrens Anlaß gebenden Merkmale zuerkennt und deshalb den Antrag für zulässig erklärt.

Nach Ablauf von zehn Jahren seit Erlaß des Urteils kann kein Wiederaufnahmeantrag mehr gestellt werden.

Fristen

Artikel 39

Die in den Artikeln 36 und 37 des Vertrags vorgesehenen Klagen müssen innerhalb der im letzten Absatz des Artikels 33 vorgesehenen Frist von einem Monat erhoben werden.

Besondere Fristen mit Rücksicht auf die Entfernung werden durch die Verfahrensordnung festgelegt.

Der Ablauf von Fristen hat keinen Rechtsnachteil zur Folge, wenn der Beteiligte dartut, daß ein Zufall oder ein Fall höherer Gewalt vorliegt.

Verjährung

Artikel 40

Die in Artikel 40 Absatz 1 und 2 des Vertrags vorgesehenen Klagen verjähren innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt des Umstands, der zu ihrer Erhebung Anlaß gibt. Die Verjährung wird durch die Einreichung der Klageschrift bei dem Gerichtshof oder durch den vorangehenden Antrag unterbrochen, den der Betroffene an das zuständige Organ der Gemeinschaft richten kann. In diesem Fall muß die Klage innerhalb der im letzten Absatz des Artikels 33 vorgesehenen Frist von einem Monat erhoben werden; die Bestimmungen des letzten Absatzes des Artikels 35 sind gegebenenfalls anzuwenden.

Sondervorschriften für Streitigkeiten unter Mitgliedstaaten

Artikel 41

Wird aufgrund des Artikels 89 des Vertrags ein Streit zwischen Mitgliedstaaten dem Gerichtshof unterbreitet, so werden die anderen Mitgliedstaaten unverzüglich von dem Kanzler über den Gegenstand des Streits unterrichtet.

Jeder dieser Staaten hat das Recht, sich an dem Verfahren zu beteiligen.

Die in diesem Artikel genannten Streitsachen müssen von dem Gerichtshof in Plenarsitzung entschieden werden.

Artikel 42

Beteiligt sich ein Staat nach Maßgabe des vorstehenden Artikels an einer dem Gericht unterbreiteten Streitsache, so wirkt die in dem Urteil gegebene Auslegung gegen ihn.

Klagen Dritter

Artikel 43

Die von der Kommission in Anwendung des Artikels 63 § 2 des Vertrags erlassenen Entscheidungen müssen dem Käufer und den beteiligten Unternehmen zugestellt werden; betrifft die Entscheidung die Gesamtheit oder eine bedeutende Gruppe der Unternehmen, so kann die Zustellung ihnen gegenüber durch eine Veröffentlichung ersetzt werden.

Jeder, gegen den ein Zwangsgeld in Anwendung von Artikel 66 § 5 Absatz 4 festgesetzt worden ist, kann hiergegen nach Maßgabe des Artikels 36 des Vertrags Klage erheben.

TITEL IV.
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Rechtsstellung der Mitglieder und Organisation des Gerichts

Artikel 44

Die Artikel 2, 3, 4, 6 bis 9, Artikel 13 Absatz 1, Artikel 17, Artikel 18 Absatz 2 und Artikel 19 dieser Satzung finden auf das Gericht und dessen Mitglieder entsprechende Anwendung. Der Eid gemäß Artikel 2 wird vor dem Gerichtshof geleistet; die in den Artikeln 3, 4 und 7 genannten Entscheidungen trifft der Gerichtshof nach Stellungnahme des Gerichts.

Kanzler und Personal

Artikel 45

Das Gericht ernennt einen Kanzler und bestimmt dessen Stellung. Die Artikel 9 und 14 dieser Satzung finden auf den Kanzler des Gerichts entsprechende Anwendung.

Der Präsident des Gerichtshofes und der Präsident des Gerichts legen einvernehmlich fest, in welcher Weise Beamte und sonstige Bedienstete, die dem Gerichtshof beigegeben sind, dem Gericht Dienste leisten, um ihm die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen. Einzelne Beamte oder sonstige Bedienstete unterstehen dem Kanzler des Gerichts unter Aufsicht des Präsidenten des Gerichts.

Das Verfahren vor dem Gericht

Artikel 46

Das Verfahren vor dem Gericht bestimmt sich nach dem Dritten Titel dieser Satzung; Artikel 41 und 42 sind gegenstandslos.

Das Verfahren wird, soweit dies erforderlich ist, durch die nach Maßgabe von Artikel 32 d Absatz 4 des Vertrags erlassene Verfahrensordnung im einzelnen geregelt und ergänzt.

Abweichend von Artikel 21 Absatz 4 dieser Satzung kann der Generalanwalt seine begründeten Schlußanträge schriftlich stellen.

Artikel 47

Wird eine Klageschrift oder ein anderer Schriftsatz, die an das Gericht gerichtet sind, irrtümlich beim Kanzler des Gerichtshofes eingereicht, so übermittelt dieser sie unverzüglich an den Kanzler des Gerichts; wird eine Klageschrift oder ein anderer Schriftsatz, die an den Gerichtshof gerichtet sind, irrtümlich beim Kanzler des Gerichts eingereicht, so übermittelt dieser sie unverzüglich an den Kanzler des Gerichtshofes.

Stellt das Gericht fest, daß es für eine Klage nicht zuständig ist, die in die Zuständigkeit des Gerichtshofes fällt, so verweist es den Rechtsstreit an den Gerichtshof; stellt der Gerichtshof fest, daß eine Klage in die Zuständigkeit des Gerichts fällt, so verweist er den Rechtsstreit an das Gericht, das sich dann nicht für unzuständig erklären kann.

Sind bei dem Gerichtshof und dem Gericht Rechtssachen anhängig, die den gleichen Gegenstand haben, die gleiche Auslegungsfrage aufwerfen oder die Gültigkeit desselben Rechtsaktes betreffen, so kann das Gericht nach Anhörung der Parteien das Verfahren bis zum Erlaß des Urteils des Gerichtshofes aussetzen. Handelt es sich um Klagen auf Nichtigerklärung desselben Rechtsaktes, so kann sich das Gericht ferner für nicht zuständig erklären, damit der Gerichtshof über diese Klagen entscheidet. In den in diesem Absatz genannten Fällen kann auch der Gerichtshof die Aussetzung des bei ihm anhängigen Verfahrens beschließen; in diesem Fall wird das Verfahren vor dem Gericht fortgeführt.

Artikel 48

Der Kanzler des Gerichts übermittelt jeder Partei sowie allen Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen, auch wenn diese vor dem Gericht der Rechtssache nicht als Streithelfer beigetreten sind, die Endentscheidungen des Gerichts und die Entscheidungen, die über einen Teil des Streitgegenstands ergangen sind oder die einen Zwischenstreit beenden, der eine Einrede wegen Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit zum Gegenstand hat.

Rechtsmittel zum Gerichtshof

Artikel 49

Gegen die Endentscheidungen des Gerichts und gegen die Entscheidungen, die über einen Teil des Streitgegenstands ergangen sind oder die einen Zwischenstreit beenden, der eine Einrede der Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit zum Gegenstand hat, kann ein Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden; die Rechtsmittelfrist beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

Dieses Rechtsmittel kann von einer Partei eingelegt werden, die mit ihren Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist. Andere Streithelfer als Mitgliedstaaten oder Gemeinschaftsorgane können dieses Rechtsmitttel jedoch nur dann einlegen, wenn die Entscheidung des Gerichts sie unmittelbar berührt.

Mit Ausnahme von Fällen, die sich auf Streitsachen zwischen der Gemeinschaft und ihren Bediensteten beziehen, kann dieses Rechtsmittel auch von den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen eingelegt werden, die dem Rechtsstreit vor dem Gericht nicht beigetreten sind. In diesem Fall befinden sie sich in derselben Stellung wie die Mitgliedstaaten und Organe, die dem Rechtsstreit im ersten Rechtszug beigetreten sind.

Artikel 50

Wird ein Antrag auf Zulassung als Streithelfer von dem Gericht abgelehnt, so kann der Antragsteller binnen zwei Wochen nach Zustellung der ablehnenden Entscheidung ein Rechtsmittel beim Gerichtshof einlegen.

Gegen die aufgrund des Artikels 39 Absätze 2 und 3 oder des Artikels 92 Absatz 3 des Vertrags ergangenen Entscheidungen des Gerichts können die Parteien des Verfahrens binnen zwei Monaten nach Zustellung ein Rechtsmittel beim Gerichtshof einlegen.

Die Entscheidung über das gemäß den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels eingelegte Rechtsmittel ergeht nach Maßgabe des Artikels 33 dieser Satzung.

Artikel 51

Das beim Gerichtshof eingelegte Rechtsmittel ist auf Rechtsfragen beschränkt. Es kann nur auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, sowie auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden.

Ein Rechtsmittel nur gegen die Kostenentscheidung oder gegen die Kostenfestsetzung ist unzulässig.

Das Verfahren vor dem Gerichtshof

Artikel 52

Wird gegen eine Entscheidung des Gerichts ein Rechtsmittel eingelegt, so besteht das Verfahren vor dem Gerichtshof aus einem schriftlichen und einem mündlichen Verfahren. Unter den in der Verfahrensordnung festgelegten Voraussetzungen kann der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts und der Parteien ohne mündliches Verfahren entscheiden.

Aufschiebende Wirkung

Artikel 53

Unbeschadet des Artikels 39 Absätze 2 und 3 des Vertrags haben Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung.

Abweichend von Artikel 44 des Vertrags werden die Entscheidungen des Gerichts, in denen eine allgemeine Entscheidung oder eine allgemeine Empfehlung für nichtig erklärt wird, erst nach Ablauf der in Artikel 49 Absatz 1 dieser Satzung vorgesehenen Frist oder, wenn innerhalb dieser Frist ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, nach dessen Zurückweisung wirksam; ein Beteiligter kann jedoch gemäß Artikel 39 Absätze 2 und 3 des Vertrags beim Gerichtshof die Aussetzung der Wirkungen des für nichtig erklärten Rechtsaktes oder sonstige einstweilige Anordnungen beantragen.

Entscheidung des Gerichtshofes über das Rechtsmittel

Artikel 54

Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

Im Falle der Zurückverweisung ist das Gericht an die rechtliche Beurteilung in der Entscheidung des Gerichtshofes gebunden.

Ist das von einem Mitgliedstaat oder einem Gemeinschaftsorgan, die dem Rechtsstreit vor dem Gericht nicht beigetreten sind, eingelegte Rechtsmittel begründet, so kann der Gerichtshof, falls er dies für notwendig hält, diejenigen Wirkungen der aufgehobenen Entscheidung des Gerichts bezeichnen, die für die Parteien des Rechtsstreits als fortgeltend zu betrachten sind.

Verfahrensordnung

Artikel 55

Der Gerichtshof erläßt seine Verfahrensordnung. Sie bedarf der einstimmigen Genehmigung des Rates. Diese Verfahrensordnung enthält alle Vorschriften, die für die Anwendung der Satzung und erforderlichenfalls für ihre Ergänzung notwendig sind.

Übergangsbestimmungen

Artikel 56

aufgehoben.

Geschehen zu Paris am achtzehnten April neunzehnhunderteinundfünfzig.

Protokoll über die Beziehungen zum Europarat

Die Hohen Vertragschließenden Teile,

von der Notwendigkeit überzeugt, möglichst enge Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft führ Kohle und Stahl und dem Europarat, insbesondere zwischen deren beider Versammlungen herzustellen,

in Kenntnis der Empfehlungen der Beratenden Versammlung des Europarates,

sind über folgende Bestimmungen übereingekommen:

Artikel 1

aufgehoben

Artikel 2

Das Europäische Parlament der Gemeinschaft übermittelt jedes Jahr der Beratenden Versammlung des Europarates einen Tätigkeitsbericht.

Artikel 3

Die Kommission übersendet jedes Jahr dem Ministerrat und der Beratenden Versammlung des Europarates den in Artikel 17 des Vertrags vorgesehenen Gesamtbericht.

Artikel 4

Die Kommission unterrichtet den Europarat darüber, inwieweit sie in der Lage war, den Empfehlungen, die von dem Ministerrat des Europarates nach Artikel 15 (b) der Satzung des Europarates an sie gerichtet worden sind, stattzugeben.

Artikel 5

Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einschließlich seiner Anlagen ist bei dem Generalsekretariat des Europarates zu registrieren.

Artikel 6

Durch Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem Europarat kann, unter anderem, jede andere Art beiderseitiger Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen vorgesehen und gegebenenfalls die hierfür geeignete Form vereinbart werden.

Geschehen zu Paris am achtzehnten April neunzehnhunderteinundfünfzig.

Sonstige Protokolle

a) Protokolle zum Vertrag über die Europäische Union und zu den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft:
- Protokoll (Nr. 6) zum Vertrag über die Europäische Union und zu den weiteren Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Februar 1992
- Protokoll (Nr. 8) über die Festlegung der Sitze der Organe sowie bestimmter Einrichtungen und Dienststellen der Europäischen Gemeinschaften sowie des Sitzes von Europol vom 7. Oktober 1997
- Protokoll (Nr. 9) über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der Europäischen Union vom 2. Oktober 1997.

b) Protokolle zu den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Atomgemeinschaft:
- Protokoll (Nr. 34) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965.
 


Quelle: Bundesgesetzblatt Teil II 1952 S. 447ff
Internationale Verträge, Europarecht (Sartorius II), C.H.Beck Verlag
© 17. Januar 2001 - 26. Januar 2003
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